KERNspalte

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat am 20. Juli den bereits im Jahr 1991 vom Land Hessen an die RWE (Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG) erteilten "Sofortvollzug" aufgehoben. Darin wurden für den Block A des Atomkraftwerks Biblis 55 Sicherheitsnachrüstungen gefordert. Sowohl gegen die Auflagen als auch gegen den Sofortvollzug erhob die RWE Klage. Die Nachrüstungsanträge, ganz zu schweigen von den Nachrüstungen, kommen nur schleppend voran. Im März letzten Jahres verfügte die hessische Umweltministerin Hinz die Stelllegung des seit 1975 mehr oder weniger in Betrieb befindlichen Druckwasserreaktors. Diese wurde jedoch von Merkel verhindert.

Noch länger am Netz, nämlich seit 1972, ist das Kernkraftwerk Stade. Die Betreiber (Hamburgerische Elektrizitätswerke u. Preussen Elektra) planen einen Weiterbetrieb ist bis zum Jahr 2012, dabei weist der Reaktordruckbehälter schon jetzt Versprödungen auf und ist vor äußeren Einwirkungen nur unzureichend geschützt. Das AKW Stade ist nun von dem verkündeten Transportstop besonders betroffen, da für die im Januar '98 auszuwechselnden Brennstäbe kein ausreichender Platz im internen Lagerbecken zur Verfügung stehtt. Das heißt, wenn hier ein Abtransport älterer Brennelemente verhindert werden kann, muß der Reaktor abgeschaltet bleiben. Daher rufen AtomkraftgegnerInnen zu einem bundesweiten Aktionstag am 12. September in Stade auf. Demonstrationszug, Schienen- und Ortsbesichtigung sowie ein SKA-Konzert wurden angekündigt.

Wie sicher Atomtransportbehälter sind zeigte jüngst der Zwischen"fall" in Magdeburg Rothensee: Bei der Verladung stürzte ein solcher Behälter zu Boden. Dabei riß die Außenhaut stellenweise bis zu 60 cm auf.

Doch der Widerstand gegen die lebensgefährlichen Nukleartransporte wird weiterhin bestraft. In Neckarwestheim werden in Folge einer Sitzblockade am 19.3.1998 Bußgelder in Höhe von 500 DM (+ 36 DM Gebühren) eingefordert. Immer wieder stehen AtomkraftgegnerInnen vor Gericht: Vor dem Amtsgericht Böblingen werden zur Zeit Verhandlungen gegen 15 Blockierende geführt. Ihnen gelang es einen stark gesicherten Transport vom AKW Grafenrheinfeld nach La Hague aufzuhalten. Gerade bei diesem Transport war laut einer Pressemitteilung des "Arbeitskreises gegen das AKW Philippsburg" jenes Fahrgestell im Einsatz, das eine übermäßig hohe Verstrahlung von 50 000 Bq/cm2 aufwies (LinX Nr. 12). Am 6. August findet in Lüneburg der Prozeß gegen die sogenannten "Schieneneinbetonierer" statt, die bei NiX3 sechs Castorbehälter für längere Zeit aufhielten.

Ebenfalls im Zeichen der verstrahlten Castoren besetzten mehrere Aktivisten das "Desinformationshäuschen" der BLG in Gorleben. Infolge dessen wurde ein Untersuchungsausschuß eingesetzt (Wir erinnern uns: Ein Untersuchungsausschuß im Rahmen des Transportskandals ist bisher noch immer nicht eingerichtet.), der nun zu dem Ergebnis kam, daß die Entscheidung der Polizei vor Ort, keine sofortige Räumung durchzuführen, richtig war. Die BLG beklagt den entstanden Sachschaden und die Entwendung eines Castor-Modells.

In der vergangenen Woche trafen sich die 15 Anrainerstaaten des Nordost-Atlantik zur OSPAR Meeresschutzkonferenz (Oslo-Paris-Kommission zum Meeresschutz) in Portugal. Obwohl Greenpeace vor kurzem in Sedimentproben vor der britischen WAA Sellafield (sowie bereits 1997 vor La Hague) erhöhte Radioaktivität nachwies und dieses Ergebnis mittlerweile durch amtliche Untersuchungen der Hamburger Umweltbehörde bestätigt wurde, einigten sich die Teilnehmenden der Konferenz nur auf eine Verringerung der nuklearen Einleitungen bis zum Jahr 2020. Die Analysen verschiedener Proben (Abwasser-, Sedimentproben, Tauben) ergaben nach Meldungen von Greenpeace, daß die Wiederaufarbeitung des Atommülls bereits im Normalbetrieb große Mengen von Radioaktivität freisetze.

Trotz allem baut die Siemens AG munter weiter. Sie hat sich mit dem französischen Staatsbetrieb Framatome sowie Hochtief zur Nuclear Powers International (NPI) zusammengeschlossen, um u.a. in der Türkei ein neues Atomkraftwerk zu bauen. Und zwar noch dazu in der Bucht von Akkuyu an der türkischen Südküste, einem höchst erdbebengefährdetem Gebiet. Doch auch hier regt sich ein breiter Widerstand.

Um radioaktive Verstrahlung geht es auch bei einer Schlammentsorgung in Dresden: Der Schlamm des Carolasees im Stadtpark ist leicht radioaktiv verstrahlt. Ursprung ist der bis 1962 im Stadtteil Coschütz-Gittersee durchgeführte Uranabbau sowie die Uranaufbereitung. Von dort wurden radioaktive Teilchen über den Kaitzbach in den See gespült. Nach einigen Verhandlungen einigte mensch sich, den Schlamm in einer Lehmgrube, getrennt vom dort liegenden Industriemüll zu lagern. Da es in der alten BRD kein Uranabbau gab, gibt es auch keine Regeln für dessen Sanierung. Durch die Übernahme von einzelnen Paragraphen aus DDR-Recht wird die Sachlage jedoch nicht gerade klarer.

(us)