Kommentar

Cui bono?

"Cui bono, wem nützt das?", pflegte Kalle Marx gerne zu fragen. Nun ist der alte Bart etwas aus der Mode geraten, doch diese Frage ist immer noch ein mächtiges Instrument.

Das ND ("Neues Deutschland") bietet einem ausgewiesenen Faschisten ein Forum. Ausgerechnet zur Frage "Wie national muß die Linke sein?" darf er sich verbreiten. (Nebenbei bemerkt: Wie originell. Demnächst wird das Blatt Norbert Blüm zu Aufgaben der Gewerkschaften im Kampf gegen Sozialabbau interviewen.)

Wem nützt das? Zu nächst natürlich dem Faschisten, der kostenlose Werbung für sein rechtes Blatt machen kann und jede Menge Publicity in exakt jenem Publikum erhält, das er seit Jahren umwirbt. Nazis sind nicht unbedingt dumm. Sie wissen um die rassistischen und nationalistischen Resentiments eines Teils der PDS-Basis und wollen die Ernte einfahren. Wie meinte doch ein Kieler PDS-Mitglied vor einem Jahr in einer Diskussion über die Kommunalwahlen? "Eine Ausländerliste (gemeint waren Immigranten) können wir unseren deutschen Wählern nicht zumuten."

Aber eigentlich sind die Faschisten nur sekundäre Nutznießer einer linken Auflösung ins Nationale, wie sie nach den Grünen offensichtlich auch einige PDS-Politiker gerne betreiben würden. Es ist ein alter Hut, aber doch immer mal wieder erwähnenswert: "Teile und herrsche", ist seit Cäsars Zeiten eine überaus erfolgreiche Formel für Herrschende aller Coleur. Nationalismus - und der deutsche ist dafür ein herausragendes Beispiel - ist immer ausschließend. Folgt man der Definition der Nationalisten, dann haben ca. acht Millionen der zwischen Oder und Rhein Lebenden dort eigentlich nichts verloren. Statt sich mit den unter skandalösen Bedingungen eingestellten portugiesischen oder polnischen Bauarbeitern zu solidarisieren, landet man ganz schnell bei "Deutsche Arbeitsplätze nur für Deutsche!"

"Aber wir müssen uns doch gegen die Weltherrschaft anglo-amerikanischer Konzerne erwehren", meint ein Leserbriefschreiber, oder die "amerikanischen Besatzer" verjagen, wie die KPD noch 1991 meinte. Selbst Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform sieht die deutsche Souveränität von einem Europa der Konzerne bedroht. Was die drei Positionen eint, ist ein langgepflegtes, gut gehegtes Defizit in der Analyse des deutschen Imperialismus. Den Autoren ist ganz offensichtlich entgangen, daß die Bundesrepublik seit geraumer Zeit zur Weltwirtschaftsmacht Nr.3 aufgerückt ist, die europäische Konkurrenz weit hinter sich lassend. Mit einem exorbitanten Handelsbilanzüberschuß finanziert man einen explodierenden Kapitalexport, kauft halb Österreich und die ganze Tschechische Republik auf, drängt ostasiatischen Tigerstaaten ungedeckte Kredite in zweistelliger Milliardenhöhe auf und schafft sich in Polen und anderswo mit rund 100 Mio. DM pro Jahr "deutsche" Minderheiten. Und wo es nur geht, will man den ganzen Kuchen: In Ostdeutschland hat die Treuhand ziemlich erfolgreich die "Ausländer" draußen gehalten. Die großen Absahner des Anschlusses heißen Zeiss, VW, Siemens usw. Die einzig nennenswerte Ausnahme bildet der französische Elf-Konzern. Das Bild rundet sich ab mit einer Miltärstrategie, die seit Anfang der 90er ganz unverblümt von der Durchsetzung "deutscher Interessen" weltweit spricht.

Wer da noch von Nation und Fremdherrschaft fantasiert, mag alles mögliche sein, eins ist er bestimmt nicht: links. Die "Antinationalen" hingegen täten gut daran, ihren moralisch begründeten negativen Nationalismus ein wenig mit ökonomischer Analyse anzureichern. Antiimperialismus ist angesagt, und zwar nicht jener der bequemen Art gegen die bösen Amis, sondern gegen den - sehr erdverwachsenen und überhaupt nicht transnationalen - deutschen Imperialismus à la Deutsche Bank und Konsorten.

(wop)