Ratssplitter

Auch CDU-Politiker haben gelegentlich gute Ideen - nur hört in ihrer Fraktion niemand auf sie. Der scheidende Bürgermeister Peter Kirschnick meinte in seiner Abschiedsrede vor der Ratsversammlung am 20.8., die Stadt komme auf Dauer zur Sicherung des ÖPNV um dessen auch schienengebundene Variante nicht herum. Auch Kirschnick "träumt also noch immer von der Straßenbahn". Seiner Fraktion sei's ins Stammbuch geschrieben. Weniger kreativ aber auch nicht verwunderlich war sein Plädoyer für die Erhaltung des Marinestandorts Kiel. Da applaudierten dann auch die Grünen nur noch aus Höflichkeit.

Verwaltungsreform, das bedeutet auch die "Vereinfachung der Planungs- und Genehmigungsverfahren", wie die SPD in einem Antrag forderte. Nun trottet der Amtsschimmel in der Tat zuweilen allzu langsam, andererseits hat die SPD mit ihrem neuen Profil als Klientelbediener der Wirtschaft v.a. folgendes im Blick, wie Fraktionsvorsitzender Fenske sagte: "Die Regulierungswut unserer Verwaltungen ist wirtschaftsfeindlich, deshalb müssen wir administrative Hürden abbauen." Tja, es merkt kaum noch jemand, wie auch die SPD das Deregulierungsneusprech der CDU übernommen hat.

"Hosen runter!" scherzte man per Zwischenruf aus der Ratsversammlung, als Jakob Vieregge (CDU) den Antrag seiner Fraktion zur Privatisierung der Kieler "öffentlichen Bedürfnisanstalten" mit folgenden Worten begründete: "Kosten runter, Qualität rauf! Unsere Toiletten verdienen allenfalls die Note 3-4, sollten aber eine 2+ haben. Unser Antrag ist hervorragend!" Die SPD konnte - ebenfalls ein Lacher - nur ergänzen: "Damit rennen Sie bei uns offene Türen ein!" Noch lachhafter war aber der Vorschlag der Grünen: Der OB solle bei der Erarbeitung eines Konzepts für die Klo-Privatisierung auch einen Blick auf Existenzgründungen haben. Ja, so wollen wir es haben - mit K(l)oexistenzen gegen Arbeitslosigkeit. Dafür gibt's die Note: Klowitz, dritte Tür ganz hinten.

Oft genug nervt Norbert "Kaiser von Kiel" Gansel die lästige Schwatzbude Stadtparlament, die seine Entscheidungen, laienhaft wie sie nunmal ist, immer wieder kontrollieren möchte. So gab es in der Ratsversammlung Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Stellenumbesetzungen, die Gansel innerhalb der Verwaltung plant. Gansels Sparidee diesmal: Auf freiwerdende Leitungsstellen die bisherigen StellvertreterInnen setzen, deren Planstellen streichen. Die Frauenbeauftragte Annegret Bergmann meint hingegen, im Hinblick auf den Frauenförderplan sei es zwingend notwendig, gerade Leitungsstellen öffentlich auszuschreiben, um Frauen die Möglichkeit einer Bewerbung zu geben. Weit gefehlt, wie Gansel meint. Personalentscheidungen seien allein ihm vorbehalten, meckerte er. Eine Mitsprache der Fraktionen werde es auf keinen Fall geben. Er wolle "keinen Parteienklüngel" und werde von seinem alleinigen Recht unbedingt Gebrauch machen. Eine öffentliche Ausschreibung sei nicht notwendig, sie würde nur "suggerieren, wir stellten jemanden (!) ein, obwohl wir einen Einstellungsstop haben". Die Frauenbeauftragte sieht das anders und hat dabei ein Votum der Kommunalaufsichtsbehörde im Rücken. Das wird wohl auf einen Rechtsstreit um die Befugnisse des OB hinauslaufen. Da dessen Ausgang noch abgewartet werden soll, beantragte die SPD-Fraktion Ende der Debatte, dem stattgegeben wurde. Doch auch solche Geschäftsordnungsbeschlüsse der Ratsversammlung sieht Gansel als für sich nicht bindend an und drängte erneut zum Mikrofon. "Ich darf auch jetzt noch reden", beharrte er. Die Ratsversammlung gestand es dem bockigen Kindskopf zu, auch wenn der nur noch einmal betonte, er entscheide sowieso "allein".

(jm)