Kultur

"Kulturelle Blessur für Kiel"

Dem Künstlerhaus Schwentineschule droht der Abriß

Nur noch wenige Wochen bis zum Abriß, doch man macht unverdrossen weiter, und das mit einem Höhepunkt des nun seit Monaten wöchentlich wechselnden Ausstellungsprogramms, einem letzten Schwanengesang. Das Künstlerhaus gibt sich international - was es eigentlich immer war. "Eine Seitenlinie der Künstlergruppe COBRA, nach dem kreativen Städtedreieck Kopenhagen, Brüssel und Amsterdam benannt, führte auch ins Künstlerhaus", erzählt Bram Bus aus dem holländischen Alkmaar, der diese wohl letzte Ausstellung zusammen mit dem im Künstlerhaus lebenden Ioerg B. initiierte. Unter holländischen Künstlern gelte das Künstlerhaus, die "Verbindung von Kunst und Leben", als gute Adresse, nicht zuletzt durch einen Austausch von Künstlern aus Kiel, Alkmaar und Bergen im Jahre 1990. Nun sind die Holländer wieder in Kiel. Eigentlich geplant für fünf Wochen mit wechselnden Ausstellungen muß das Projekt "wohl in zwei Wochen durchgezogen werden", sagt Bus, der als in Schleswig-Holstein schon öfter gastierender Künstler über "die seltsame Kulturpolitik der Stadt Kiel" nur den Kopf schütteln kann. Ioerg B. pflichtet ihm bei: "Vor 25 Jahren habe ich gesagt: Kiel ist New York. Das muß jetzt revidiert werden." Nicht nur eine "kulturelle Blessur und damit Blässe" drohe nun der Landeshauptstadt, trauert er mit Blick auf den baldigen Abrißtermin.
Obwohl einer der vorgeblichen Gründe, die Schwentineschule abzureißen, weggefallen ist, stellt sich die Stadt stur. Weil der Radweg der neuen Bundesstraße 502 um eine schützenswerte Linde herumgeführt werden mußte und dabei das Gebäude "anschnitt", sollte es weichen. Bei den Bauarbeiten wurde die fragliche Linde jedoch "irrtümlich" gefällt (LinX berichtete). Die noch nicht entschiedenen Klagen von Ioerg B. und anderer BewohnerInnen gegen den Räumungsbescheid der Stadt verhinderten bislang den Abriß. Doch nun sind die Klagen und auch der Antrag auf eine einstweilige Verfügung zur Aussetzung des Räumungsbescheids abgewiesen worden. In einem letzten Kraftakt hatten die BewohnerInnen versucht, das Haus für 100.000 DM zu kaufen. Aber auch für dieses Ansinnen zeigte die Stadt trotz Bankbürgschaft des Künstlerhaus e.V. kein offenes Ohr, ebensowenig für zahlreiche Solidaritätsfaxe u.a. aus Israel an die Adresse der Ministerpräsidentin. Dem Abrißbagger steht nun also aus Sicht der Stadt nichts mehr im Wege. Noch anhängig ist ein Rechtsstreit zwischen Stadt und BewohnerInnen wegen ausstehender Mieten. 100.000 DM seien überfällig, sagt das Liegenschaftsamt, der Künstlerhaus e.V. weist jedoch darauf hin, daß die Schulden weniger als ein Drittel dieser Summe betragen.
Rechtsstreit hin oder her, noch sind im Künstlerhaus Bilder und Objekte von sieben holländischen Kollegen zu sehen. Rob Verkerk, Hanneke Saaltink und Eric Beets zeigen zurückhaltende Stilleben und Landschaften in gedeckten Pastelltönen, deren Figuren aufgelöst erscheinen, bei Verkerk durch einen Weichzeichnereffekt, bei Saaltink ins Abstrakte. Gegenstandslose Pinselkaskaden in allerdings leuchtenderen Farben auch bei Peter Huijzers großformatigem Diptichon. Zilvervinger beschränkt sich auf schlichtes Schwarzweiß mit ungestümem Strich in seinen Kohlezeichnungen und expressivem Spiel mit Licht und Schatten in zwei verfremdeten Fotografien. Ton Voermans collagiert pastellene Monochrome mit gezeichneten Figuren. Das Bild wird zum Objekt und mutet wie das Modell eines Bühnenbildes an. Objekte zeigt auch Bram Bus, eine Art "Zettelkasten" von collagierten Fundstücken sowie eine Arbeit mit dem Titel "Isabella", eine zum Halmastein reduzierte blaue Figur, umzingelt von einem schwarzen Seilkreis.

Ähnlich verloren steht inzwischen das Künstlerhaus im Rund der bereits gefrästen Trasse. "Wir machen weiter bis zuletzt", trotzt Ioerg B. Bram Bus hat hingegen schon Pläne für eine "Rettung der Idee des Künstlerhauses", freilich nicht mehr in Kiel. Ab dem 16.10. hat er Ioerg B. und Klaudiusz Kowoll aus dem Künstlerhaus sowie zwei weitere Kieler Künstler nach Alkmaar eingeladen. "Dort werden wir wieder arbeiten können", sagt Ioerg B., "ohne den Psychoterror durch Juristen und Beamte".

(jm)