Internationales

"Veränderung muß von unten kommen"

Drei Frauen organisieren in Honkong ein Netzwerk asiatischer Arbeiterinnen

Katunayake, Freihandelszone in Sri Lanka: Der Manager einer deutschen Firma, die Fallschirme herstellt, schlägt eine Arbeiterin. Zwei Tage später bekommt sie eine Abmahnung: Sie habe sich ungebührlich gegenüber dem Direktor verhalten, als er sie auf einen Fehler hinwies. Sie widerspricht den Anschuldigungen und wird daraufhin entlassen.

Was der ceylonesischen Näherin Karunawathi im Oktober letzten Jahres bei der Firma Sky Sport Lanka passierte, ist offensichtlich kein Einzelfall. Nach Angaben der Betriebsräte-Vereinigung der Freihandelszone, die den Fall publik machte, nehmen in den den Firmen ausländischer Investoren Schläge und Körperstrafen in beunruhigendem Maaße zu.

Frauengruppen berichten aus anderen asiatischen Staaten über ähnliche Management-Methoden. In Thailand sind mehrere taiwanesische Firmen dadurch aufgefallen, daß sie Arbeiterinnen kollektiv bestrafen. In einer Schuhfabrik in der Dong Nai Provinz wurden 56 Frauen gezwungen, in praller Sonne vier Kilometer zu laufen, weil einige von ihnen die Arbeitsräume in Schuhen betreten hatten.

Noch viele solcher Geschichten könnten Shum Yun Shan und Agnes Khoo vom Committee for Asian Women (Kommitee für Asiatische Frauen, CAW) erzählen. Z.B. von Vorarbeitern in Indonesien, die Frauen demütigen und unter der Androhung der Entlassung zum Geschlechtsverkehr zwingen.

Aber eigentlich sprechen sie lieber darüber, wie die Frauen sich wehren. "Die westlichen Medien sehen uns immer nur als Opfer", beklagt sich Agnes Khoo, "doch das Bild ist schief. Viele Frauen kämpfen und nehmen ihr Schicksal in die eigenen Hände."

Wie jene Näherin in Sri Lanka, die mit Hilfe ihrer Gewerkschaft vor Gericht zieht gegen einen "Arbeitgeber", der sie mit 66 US-Dollar im Monat erbärmlich bezahlt und dann auch noch mißhandelt.

Oder wie zahlreiche Frauen in anderen Ländern, die sich in lokalen Gruppen oder größeren Gewerkschaften zusammenschließen, um für höhere Löhne und menschenwürdige Arbeitsbedingungen einzutreten.

Selten ist das einfach. In vielen Freihandelszonen ist gewerkschaftliche Organisierung verboten. Anderswo, wie in Katunayake in Sri Lanka, gibt es zwar Abkommen mit den Investoren, daß Betriebsräte eingerichtet werden müssen, doch manche Firma, wie Sky Sport Lanka, weiß das zu umgehen. Die Regierung unternimmt wenig dagegen.

"In vielen Ländern Asiens ähneln sich die Bedingungen", weiß Agnes Khoo. Die Firmen operieren meist international. Vor allem in arbeitsintensiven Branchen wie der Textilindustrie sind sie jederzeit bereit, die Produktion in Niedriglohnländer zu verlagern. Umstrukturierung wird das genannt, ein Problem, mit dem auch die Arbeiterinnen in den sog. Tigerstaaten seit einigen Jahren zu kämpfen haben. Ihnen bleibt oft nur die Wahl zwischen Arbeitslosigkeit oder Heimarbeit auf Kommissionsbasis. Als Subunternehmerinnen haben sie dann sämtliches Risiko zu tragen.

In Hongkong ist diese Entwicklung besonders weit fortgeschritten. Die Textil- und Spielwarenindustrie, die in den 60ern einst den Aufstieg der Stadt begründete, ist inzwischen nach China oder in die Sonderzonen der Newcomer wie Thailand oder die Phillipinen abgewandert. Den ungelernten Arbeiterinnen bleibt der Wechsel in den Dienstleistungssektor, wo es nur schlecht bezahlte Teilzeitarbeit gibt.

Shum Yun Shan kennt das aus nächster Nähe. Ihr Büro liegt in Mongkog, Honkongs schlimmster Ecke. Heruntergekommene Wohntürme stehen hier dicht an dicht, manchmal nicht viel mehr als 20 Meter voneinander, fünfzehn, zwanzig Stockwerke hoch. Vier- und sechsspurige Straßen durchschneiden das Wohngebiet. Ein endloser Strom aus Bussen, LKWs und Taxen erfüllt die Luft mit ohrenbetäubendem Lärm und macht das Atmen schwer. In den kleineren Straßen drängen sich Marktstände und Menschen. Mongkog, heißt es, ist der am dichtesten besiedelte Flecken Erde auf diesem Planeten.

Von hier, aus dem vierten Stockwerk des Sky Towers, der sich mit seiner neuen, protzigen Fassade von den schmutzig-grauen Blöcken der Nachbarschaft abhebt, organisieren die drei CAW-Frauen Shan, Agnes und Dolly ein Netzwerk aus 28 Gruppen in 14 Ländern. Kleine lokale Gruppen gehören dazu, genauso wie Gewerkschaften. In Hongkong ist es z.B. die Textil- und Einzelhandelsgewerkschaft.

CAW entstand 1980 aufgrund einer Initiative christlicher Kirchen. Seit 1992 arbeitet es unabhängig und ist nur noch den Mitgliedsgruppen verpflichtet. Für die organisiert es Seminare, bringt Arbeiterinnen aus verschiedenen Ländern zusammen, damit sie sich über ihre Situation austauschen können. "Viele Frauen", so Agnes Khoo, "können sich nicht einmal einen Paß leisten. Auch darum müssen wir uns kümmern."

Informationsmaterial in den verschiedenen nationalen und regionalen Sprachen ist ein anderer wichtiger Punkt. Derzeit wird gerade an einer Videodokumentation über die Umstrukturierung in verschiedenen Ländern gearbeitet, die zunächst in Englisch, später auch in anderen Sprachen vertrieben werden soll.

Von Lobby-Arbeit mit internationalen Organisationen wie der neuen Welthandelsorganisation (WTO) hält man dagegen nicht besonders viel. "Veränderung muß von denen kommen, die unten sind, von den Leuten an den Graswurzeln. Sie müssen organisiert und stark gemacht werden, damit sie ihre Grundrechte einfordern", meint Shum Yun Shan.

In die vom Internationalen Bund Freier Gewerkschaften und anderen geforderte WTO-Sozialcharta setzt man daher wenig Hoffnungen. "Die WTO zwingt die Entwicklungsländer, ihre Märkte und Finanzinstitutionen zu öffnen", so Agnes Khoo. Für die Arbeiter und vor allem die Arbeiterinnen in diesen Ländern wird damit die Luft zum Atmen noch dünner. Hier kennt man vor allem die Schattenseiten der Globalisierung: Abbau von Arbeiterrechten, Lohn- und Umweltdumping, schwindende Einflußmöglichkeiten der Nationalstaaten.

Die jüngste Krise der Tigerstaaten beschleunigt diesen Prozeß. Längst zieht sie ihre Kreise in ganz Süd- und Ostasien, selbst der chinesische Yuan scheint nicht mehr sicher. Der Internationale Währungsfonds nützt die Gelegenheit, mit seinen Kreditauflagen die Öffnung zu erzwingen. "Die ganze Region wird zur Freihandelszone", meint Agnes Khoo, "die Arbeiterklasse wird mehr und mehr internationalisiert." Netzwerke wie CAW werden da wichtiger denn je.

(wop)