Ratssplitter

Welch schönen Ausblick eine Investitionsruine auf die andere bietet, wußte OB Norbert Gansel in der Debatte um das immer noch nicht bezugsfertige neue Rathaus im ehemaligen Postgebäude an der Andreas-Gayk-Straße. Mit Blick auf die gute Ausstattung der Arbeitsplätze im neuen Rathaus sagte er: "Ich beneide die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort, vor allem wegen des schönen Ausblicks auf die Klappbrücke."

Legendenbildung im Dienste der Auto-Lobby versuchte CDU-Fraktionsvorsitzender Arne Wulff mittels einer kleinen Anfrage. Er fragte, ob der OB "die Auffassung des Verbandes der Automobilindustrie (VDA)" teile, "daß durch den Abbau von Staus in Ballungszentren sowie die Einführung eines Leitsystems der CO2-Ausstoß im Straßenverkehr erheblich gesenkt werden kann". Ferner wollte Wulff wissen, ob dementsprechend geplant sei "durchgängige Grünphasen" einzurichten. Aussage dieser Suggestivfragen: "Freie Fahrt für freie Bürger" ist ein "Beitrag zum Klimaschutz". Die Antwort des Umweltschutzamtes verweist derartige Legenden auf die Hinterbänke. Es gebe keine gesicherten Erkenntnisse, daß flüssigeres und damit schnelleres Fahren in der Stadt den CO2-Ausstoß verringere. Logisch, denn wer schneller durchkommt, fährt auch lieber und öfter mit dem Auto als mit dem nachgewiesenermaßen CO2-ärmeren ÖPNV. Die Beantwortung der kleinen "Anfrage" schließt mit den Worten: "Eine Stabilisierung oder gar Verstärkung vorhandener Verhaltensmuster im motorisierten Individualverkehr sollte durch den Einsatz von Verkehrsleitsystemen möglichst vermieden werden."

Eine Entgleisung besonderer Art leistete sich der Jungpolitiker Arno Witt von der CDU. Im Auftrag seiner Partei beantragte er, eine kleine Anfrage der Bündnisgrünen zu den planungsrechtlichen erlaubten "Wohnformen wie die einer Wagensiedlung" und zu entsprechenden "Freiflächen" in den nicht-öffentlichen Teil der Ratsversammlung zu verlegen. Denn, so O-Ton Witt: "Wenn das hier behandelt wird", habe dies zur Folge, daß "uns alle Leute (die in Wagen wohnen - Red.) aus Deutschland herströmen".

Eigentlich ist die Ratsversammlung immer schon vorbei, wenn der letzte Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" aufgerufen wird. Diesmal gab es hingegen noch einen kleinen Schlagabtausch. "Was ist eigentlich mit der Baumschutzsatzung?" wollte "Naturschützer" Heinz Malonn (CDU) wissen. In der Oktobersitzung hatte die CDU eine Deregulierung der Satzung gefordert. OB Gansel hatte damals mit einer Tanne in seinem Garten Volks- und Abgeordnetennähe bewiesen. Um sie zu fällen, müsse er erst bei sich selbst einen umfangreichen Antrag stellen. Jetzt wußte er nichts genaues über den Fortschritt der Deregulierung, aber: "Ich hoffe, daß sie bald geändert wird, denn ich habe meine Tanne inzwischen gefällt." Der zuständige Stadtbaurat Flagge schätzte, "in der übernächsten Runde" wisse man genaueres. Im Umweltausschuß sei zugesagt worden, die deregulierte Satzung werde noch in dieser Legislaturperiode vorliegen. Das reichte den Fällern von der CDU nicht. Malonn: "Die CDU fühlt sich verkackeiert."

(jm, usch)