Internationales

Ausverkauf in Südkorea

In Südkorea bereiten sich die Gewerkschaften auf einen neuen Generalstreik vor. Die im KCTU zusammengeschlossenen Betriebsgewerkschaften (Industriegewerkschaften sind noch immer verboten) sind nicht bereit hinzunehmen, daß die Folgen der Krise allein auf die Arbeiter abgewälzt werden. Anfang Januar beschloß das KCTU-Zentralkommitee daher eine entsprechende Mobilisierungskampagne.

Inzwischen konnte die politische Führung des Landes, die bereits weitgehend in der Hand des im Dezember gewählten aber noch nicht ins Amt eingeführten neuen Präsidenten Kim Dae-jung liegt, gezwungen werden, einzulenken. Pläne, Massenentlassungen zu erleichtern, wurden bis Ende Januar ausgesetzt. Bisher müssen Unternehmen bei Entlassungen nachweisen, daß sie keine wirtschaftliche Alternative haben. Außerdem müssen sie mit den Vertretern der Belegschaft Sozialpläne ausarbeiten.

Den Unternehmerverbänden geht das zu weit. Sie fordern freie Hand, um Arbeitsplätze abbauen zu können. Auch die neue Führungsriege Kim Dae-jungs hat bereits signalisiert, daß sie die Arbeitsgesetze entsprechend liberalisieren will. Mitte Januar sollte das Parlament auf einer Sondersitzung entsprechende Reformen verabschieden.

Auf Druck des KCTU und seiner konservativen Konkurenz FKTU ist es dazu aber bisher nicht gekommen. Stattdessen gibt es Drei-Parteiengespräche zwischen Regierung, Gewerkschaften und Unternehmern, in deren Verlauf ein Krisenreaktionsplan erarbeitet werden soll. Die Gespräche entsprechen einer Forderung des militanten KCTU, der die Einbeziehung der Arbeitervertreter ins Krisenmanagement fordert. Vertreter beider Verbände machten vor dem Beginn der Verhandlungen allerdings deutlich, daß ihre Teilnahme noch nicht bedeutet, daß sie der Änderung der Arbeitsgesetze zustimmen werden.

Erst vor drei Wochen hatte der KCTU die Unternehmer kritisiert, daß sie sich bei Entlassungen nicht mehr an die Gesetze halten. Seit Anfang Dezember seien pro Tag im Schnitt 2.000 Arbeiter und Angestellte auf die Straße gesetzt worden. Allgemein wird erwartet, daß die Zahl der Arbeitslosen in diesem Jahr noch auf eine Million klettern wird.

Südkorea war Ende letzten Jahres aufgrund einseitiger Wirtschaftsstruktur und extremen Kapitalmangels in den Strudel aus Abwertung, Zahlungsschwierigkeiten und Kurseinbrüchen an den Börsen gezogen worden, der seit dem Sommer die sog. Tigerstaaten in Südost- und Ostasien erfaßt hat. Während der staatliche Haushalt bereits seit Jahren ausgeglichen war, haben sich vor allem private Unternehmen exzessiv verschuldet.

Der Bogen wurde offensichtlich überspannt. Koreanische Banken borgten sich im Ausland Kapital und vergaben im Inland großzügig Kredite. Zu großzügig: Eine Reihe von Bankrotten ließ so manche dieser ohne ausreichende Abdeckung vergebenen Verbindlichkeiten "faul" werden. Das wiederum bringt zunehmend die Banken in Schwierigkeiten, die sich ihr Geld im Ausland zumeist nur sehr kurzfristig geborgt haben. Bis Ende März, so berichtet das Asian Wall Street Journal, werden z.B. insgesamt rund 40 Mrd. US-Dollar fällig.

Vor allem die beiden Hauptgläubiger Japan (ca. 20 Mrd. US-Dollar) und Deutschland (10,8 Mrd. US-Dollar) sind derzeit dabei, einen Plan zur Umschuldung zu basteln. Bedingung: Die südkoreanische Regierung soll die Kredite der privaten Banken und Konzerne garantieren. Mit anderen Worten: Mit Einschnitten im Staatshaushalt sollen die privaten Schulden bezahlt werden. Die neue Führung in Seoul gab bereits bekannt, daß der nächste Haushalt 10% niedriger als geplant ausfallen wird.

Die von deutschen Banken in Ost- und Südostasien vergebenen Kredite haben sich von 1993 bis 97 auf rund 40 Mrd. US-Dollar verdreifacht. Deutschland ist damit noch vor den USA Hauptgläubiger in der Region. Der rasante Anstieg deutet daraufhin, daß man sich nicht besonders um Sicherheiten gekümmert haben kann. Wie im Inland oft mit Privathaushalten praktiziert, scheint man hier ganze Staaten in unerfüllbare Verpflichtungen gedrängt zu haben.

Bezahlen müssen andere: Auf Druck des Internationalen Währungsfonds (IWF) öffnet Seoul derzeit seine Aktienmärkte. Ausländische Investoren werden künftig Mehrheitsanteile an südkoreanischen Firmen erwerben können. Gute Aussichten also für die Deutsche Bank oder die Dresdner oder die Bayerische Landesbank, um nur die größten Absahner zu nennen, sich die nicht bezahlbaren Schulden in Anteile an profitablen Unternehmen umwandeln zu lassen.

Wann immer in diesen Tagen also von "Hilfsprogrammen" des IWF zu lesen oder zu hören ist, sollte man sich das zum besseren Verständnis in "Ausverkauf" übersetzen.

(wop)