Kommunales

Dokumentiert:

Wagengemeinschaft Timmerberg muß bleiben!

Der Wagenplatz am Timmerberg befindet sich auf einem Teil einer städtischen, nicht bewirtschafteten Wiese im Norden Kiels (Wik). Nebenan befinden sich die Häuser des Timmerbergs, die vom Kieler Verein zur Wohnraumbeschaffung e.V. (KVW) verwaltet werden.

 

 

Bewohnte Wagen gibt es auf dem Timmerberg seit über zehn Jahren. Anfangs wurden die Wagen als "ausgelagerter Wohnraum" der benachbarten Häuser am Timmerberg betrachtet. Über diesen Zustand gab es Absprachen mit dem Liegenschaftsamt. Im Laufe der Jahre entwickelte sich der Wagenplatz zu einem mehr und mehr eigenständigen Projekt mit klaren Vorstellungen und Strukturen. Im Sommer 1995 wandten sich die WagenbewohnerInnen mit einem Konzept "zur Errichtung eines Wagenplatzes am Timmerberg in Kiel-Wik" an das Stadtplanungsamt der Stadt Kiel. In diesem stellten wir unsere Ideen und Pläne zur Nutzung und Gestaltung des Geländes vor. Danach sollte ein Teil der Wiese Platz für etwa 12 bewohnte Wagen und Gemeinschaftseinrichtungen bieten. Es sollten Bäume und Sträucher gepflanzt und ein Feuchtbiotop errichtet werden.

Mittlerweile hat sich die Anzahl der Menschen, die hier leben und wohnen, auf neun erhöht. Zusammen mit zwei gemeinschaftlich genutzten Wagen gehören jetzt elf Wagen zu unserem Platz. Ein Zuzug von weiteren Personen und Wagen ist nicht geplant.

Wir BewohnerInnen haben hier unseren Lebensschwerpunkt. Wir stehen in festen Arbeits- und Lebensverhältnissen und sind in die Nachbarschaft integriert. Das Wohnen im Wagen ist für uns eine selbstgewählte Lebensform. Es bietet die Möglichkeit des eigenverantwortlichen Zusammenlebens in einem selbstgestalteten Lebensraum und ist weder eine Not-, noch eine Übergangslösung. Die "Wagengemeinschaft Timmerberg" ist basisdemokratisch organisiert und entscheidet, sofern möglich, nach Konsensprinzip. Wir fühlen uns für die Gestaltung unseres Platzes verantwortlich.

Die technische Infrastruktur, d.h. insbesondere die Benutzung von sanitären Anlagen, die Entsorgung von Müll, die Versorgung mit Wasser (bzw. Entsorgung), die Stromversorgung usw. sind in Zusammenarbeit mit dem KVW und/oder auf der Basis nachbarschaftlicher Vereinbarungen geregelt.

Am 9.12.1997 wurden wir völlig überraschend von einem Vertreter des Liegenschaftsamtes aufgefordert, die von uns bewohnte Fläche binnen 48 Stunden zu räumen, anderenfalls würden kostenpflichtig Zwangsmittel eingesetzt. Mit dieser Ankündigung sahen wir uns urplötzlich mit einer Situation konfrontiert, die nicht nur unseren Wohn- und Lebensraum gefährdet, sondern auch nicht abschätzbare Folgen für unsere weiteren Lebenszusammenhänge (Arbeitsverhältnisse, Studium, persönliche Bindungen) hat. Die augenblickliche Lage stellt eine ganz konkrete Gefährdung unserer sozialen Existenz dar.

Der "Besuch" des Liegenschaftsamtes scheint im Zusammenhang mit einen Brief des KVW-Vorstandes vom 3.12.97 zu stehen. Das Schreiben liest sich wie eine Distanzierung. Der Vorstand fordert darin die Stadt auf, die Verantwortung für unseren Platz zu übernehmen. Dies nahm die Stadtverwaltung zum Anlaß, "reinen Tisch" zu machen. Der Verein hat sich mittlerweile eindeutig für eine weitere Koexistenz des Wagenplatzes mit den vom Verein untervermieteten Häusern am Timmerberg ausgesprochen und sich mit uns solidarisiert.

Gegenüber dem Liegenschaftsamt haben wir bekundet, daß wir bereit sind, konstruktive Verhandlungen über eine langfristige Sicherung unserer Wohn- und Lebensverhältnisse zu führen. Konstruktive Verhandlungen, die eines gewissen Maßes an Vertrauen bedürfen, lassen sich jedoch unter dem Druck einer Räumungsandrohung nicht verwirklichen. Die Stadt hat ihre Räumungsandrohung bisher nicht in die Tat umgesetzt, allerdings in einem Schreiben, das uns Heiligabend erreichte, schriftlich fixiert (mit einer bemerkenswerten Signatur des Liegenschaftsamtsleiters). Die entsprechende Räumungsfrist lief am Sylvesterabend ab.

Daß wir noch hier sind, ist wahrscheinlich nicht zuletzt auf unsere Gespräche mit VertreterInnen aus Politik und Verwaltung, unsere Pressearbeit, die Unterstützung von NachbarInnen und politischen SympathisantInnen und das aufgeräumte öffentliche Eintreten für unsere Wohnform zurückzuführen.

Die Gespräche mit dem Stadtplanungsamt haben ergeben, daß es keine grundsätzlichen rechtlichen und planerischen Bedenken gegen Wagensiedlungen in Wohngebieten gibt und daß der uns betreffende Bebauungsplan gerade in Überarbeitung ist. Insofern ist es lediglich eine politische Frage, ob die Stadt mit uns in Vertragsverhandlungen tritt oder nicht. Mit dieser maßgebenden Haltung sind etwaige Alleingänge aus der Stadtverwaltung endgültig ausgebremst, und die Stadt muß ihre Law and order-Fraktion bis auf weiteres im Zaume halten. Eine Finanzausschußsitzung der Stadt hat eine Räumungsentscheidung auf die Zeit nach dem 10.2. vertagt. An diesem Tag führt die Stadt einen Fachtag zur Zukunft des Wohngeländes Aubrook durch, für den sie sich auch verallgemeinerbare Erkenntnisse zum Thema Wagenleben erhofft.

Wir konkretisieren gerade unsere Vorstellungen zu einer vertraglichen Regelung. In diesen Tagen tragen wir sie an die Verwaltung und die politischen Gremien der Stadt heran und erwarten eine grundsätzliche Gesprächsbereitschaft.

Um unserer Forderung nach Aufhebung der Räumungsandrohung und konstruktiven Vertragsverhandlungen weiterhin Nachdruck zu verleihen, brauchen wir eure Unterstützung. Wendet euch an die politischen Größen Kiels und die Presse, setzt euch für eine friedliche Auflösung des Angriffes der Stadt gegen die Wagengemeinschaft Timmerberg ein!

Den meisten Wagenplätzen in Schleswig-Holstein geht es nicht wesentlich besser als uns - auch sie brauchen öffentliche Unterstützung. Geben wir den selbsternannten Ordnungshütern in ihrem Kampf um von jeder unkommerziellen Vielfalt gesäuberte Städte und Gemeinden keine Chance! Die Welt ist unser Feld!

(Wagengemeinschaft Timmerberg)

Eine ausführliche Berichterstattung über die Auseinandersetzung um die "Wagengemeinschaft Timmerberg" findet sich im Gegenwind, Nr. 113. Der Gegenwind - Zeitschrift für Politik und Kultur in Schleswig-Holstein ist in jedem guten (also linken) Buchladen erhältlich und erscheint im Magazin-Verlag, Schweffelstr. 6, 24118 Kiel (Tel.: 565899).