Anti-AKW

Antiatom-Camp in Greifswald

Bundesweite Aktionstage - Standort Greifswald 11.-13.9. - Ein Erfahrungsbericht

Pitschnaß, hundemüde und trotzdem gute Laune - so läßt sich die Stimmung im Greifswalder Aktionscamp am Sonntag, dem 13.9. beschreiben. Das Camp hat gut funktioniert, die Aktion vor dem Lager ist trotz einiger Improvisationen ziemlich pfiffig verlaufen und wir haben zeigen können, daß auch der dünn besiedelte Nordosten zur Widerstandszone gehört. Auf einer privaten Wiese bei Wusterhusen (ca. 3 km vom Zwischenlager Nord entfernt) war das Testcamp aufgebaut. Wir hatten bewußt den Namen Testcamp gewählt, weil es sich wirklich um einen Test handelte. Bisher hatten wir ein solches Camp noch nicht organisiert und es sollte ja auch mehr sein als ein kleines Wochenendcamping.

Natürlich fing alles mit Chaos an. Freitag, Samstag, Sonntag - nicht viel Zeit, um inhaltliche Arbeit zum Standort, Aktion am Lager und vor allen Dingen Überlegungen zum Tag X miteinander effektiv zu verbinden. Deshalb gingen wir davon aus, daß die meisten Menschen bereits am Freitag anreisen. Für den Abend war dann eine Kennlernrunde und eine anschließende Standortinfo vorgesehen. Ein wackeres Häuflein verwegener StrickpulloverträgerInnen versammelte sich schließlich wirklich am Freitag abend um das Lagerfeuer, um miteinander ins Gespräch zu kommen und den Ablauf des Wochenendes zu beschließen. Zu diesem Zeitpunkt wußten wir aber bereits, daß am Samstag noch einige Gruppen zu uns stoßen würden.

Unser Camp hatte schon im Vorfeld reges Interesse in der Gegend hervorgerufen. Dem Werkschutz in Lubmin war sämtlicher Urlaub gestrichen worden, die Polizeidienststellen in der Umgebung hatten erhöhte Bereitschaft, und auch in den Dörfern machten so manche Gerüchte die Runde. Sowas beflügelt natürlich und wir wollten gewisse Erwartungen auch nicht enttäuschen. Die Aktion am Lager bestand dann darin, in kürzester Zeit trotz bereits bestehender Polizeipräsenz eine symbolische Mauer aus steingrauen Pappkartons über die Straße vor dem Gleistor des ZLN zu bauen und damit die Zufahrt zum ZLN zu blockieren. Motto: Die abgebrochene Mauer zwischen Ost und West wird jetzt gemeinsam um die Atomanlagen, und zwar ohne Durchlaß, wieder aufgebaut. Ganz nebenbei bekam die richtige Mauer am Lager auch noch etwas Farbe ins Gesicht.

Wir fanden die Aktion gelungen. Es war möglich, mit relativ wenigen und einfachen Mitteln den Herren und Damen von der grünen Seite zu zeigen, daß die Zeiten, in denen am ZLN eine ruhige (Wach-) Kugel geschoben wurde, sich nun langsam aber sicher dem Ende zuneigen. Dieser Begriff vom widerstandsfreien Osten lag uns schon lange im Magen. Die souveräne Ordnungsmacht zeigte leichte Erosionserscheinungen und reagierte etwas hilflos auf die bisher unbekannte Situation. So war es eine witzige Sache, als die Polizisten zunächst begannen, die am Straßenrand von einem LKW abgekippten Kartons mit den Füßen auf die Straße zu schießen, wo sie von dankbaren DemonstrantInnen zur Mauer verarbeitet wurden. Leicht entmutigt schaute die staatlich bezahlte Aufpasserkolonne dann dem nur wenige Minuten dauernden Aufbauprogramm zu und begnügte sich dann mit ihrer eigentlichen Aufgabe, die nur leider meist viel zu kurz kommt: dem Stoppen des Autoverkehrs.

Diese Tätigkeit erledigte sie dann aber in der ihr eigenen Perfektion. Der Fairnis halber sollte aber durchaus hinzugefügt werden, daß bis auf wenige Rangeleien am Anfang die Polizei friedlich blieb. Dazu trug sicherlich auch die anwesende Presse bei, die aus Vertretern der örtlichen Meinungsblätter und einem spanischen Fernsehteam bestand. Die Blockade wurde dann durch die DemonstrantInnen geordnet beendet. Natürlich nicht, ohne deutlich zu machen, daß Pappkartons in Zukunft wohl nicht mehr verwendet werden. Aus allen Kleidungsritzen triefend schwammen wir dann zum Camp zurück, wo geheizte Zelte zur Belohnung warteten.

Der Samstagabend gehörte dann den Arbeitsgruppen, die sich inhaltlich hauptsächlich mit dem Standort Greifswald und seinen Perspektiven sowie mit den Widerstandsmöglickeiten vor Ort befaßten. Die im Flugi angekündigte Anti-Atom-Romantik am Lagerfeuer wurde dann kurzerhand ins Kinozelt verlegt. Nach einem netten Filmabend kamen dann auch die letzten Aktivisten langsam zur Ruhe.

Am Sonntag gab es dann mal zur Abwechslung eine legale, da angemeldete Demo zum Zwischenlager. Einzige Unplanmäßigkeit war ein kurzer Schwenk der TeilnehmerInnen über einen Teilabschnitt der Schienenanbindung des Lagers.

Zusammenfassend läßt sich folgendes sagen: Wir hatten Gelegenheit, die Organisation eines Camps in kleinem Maßstab zu üben und dazu die erforderliche Infrastruktur zu entwickeln. Durch unsere Aktion am Lager haben wir die Diskussion um den Standort wieder aus dem Koma erweckt. Wir haben Greifswald durch die bundesweiten Aktionstage wieder stärker mit den anderen Standorten verknüpft und dadurch hoffentlich erreicht, daß das Thema ZLN auch bundesweit wieder mehr zum Diskussionspunkt wird.

Übrigens, da ihr gerade mit den Gedanken sowieso an der vorpommerschen Ostseeküste seid: Behaltet mal die Terminankündigungen für das Frühjahr etwas im Auge. Wir haben im Frühjahr ein etwas längeres Camp im Hinterkopf. Dort soll dann die Möglichkeit bestehen, sich etwas gezielter und intensiver mit der eigentlich recht schönen Umgebungsnatur um die Strahlemann-Halle zu beschäftigen. Man sollte nur darauf achten, nicht über die Schienen zu stolpern, denn diese liegen ganz schön im Weg ...

(A. Reyher für die Initiative "Wolgast/Usedom ohne Atommüll" und die "BI Kernenergie e.V. zur Förderung alternativer Energiekonzepte Greifswald")