MigrantInnen

2.000 bei der Abschlußdemo der Karawane

Mit einer Demonstration durch die Kölner Innenstadt, an der sich über 2.000 Menschen beteiligten, und einer Konferenz fand die Karawane für die Rechte von MigrantInnen und Flüchtlingen am 19. und 20.9. ihren Abschluß. Die Karawane war seit dem 14.8. durch 40 Städte in der gesamten Bundesrepublik gezogen. Unter dem Motto "Wir haben keine Wahl aber eine Stimme" machten eine Kerngruppe aus Flüchtlingen und Deutschen sowie UnterstützerInnen aus der jeweiligen Stadt auf die Situation von Flüchtlingen aufmerksam, wandten sich gegen Rassismus und setzten den restriktiven Sondergesetzen für AusländerInnen und Flüchtlinge die Forderung nach gleichen Rechten für alle Menschen entgegen.

Eins dieser Sondergesetze, die Residenzpflicht, die es Flüchtlingen verbietet, ohne Sondergenehmigung ihren Kreis oder ihre Stadt zu verlassen, wurde bei der Begrüßung der Karawane in Kiel am 19.8. gleich an der Kieler Stadtgrenze zur Gemeinde Molfsee in Form einer symbolischen Schrankenöffnung thematisiert. Dank einer Baustelle konnten zahlreiche AutofahrerInnen mit Flugblättern über die Aktion und deren Hintergründe informiert werden. Die deutschen Mitreisenden aus Lübeck, Hamburg und Bremen, die die KarawaneteilnehmerInnen begleiteten, mußten sich zunächst von Flüchtlingen ausgestellte Passierscheine besorgen. Eine Aktion, die bei den Flüchtlingen auf großen Beifall stieß, da hier die Verhältnisse einmal umgekehrt waren. Rund 200 Menschen nahmen anschließend an einer Kundgebung in der Kieler Innenstadt teil, wo RednerInnen aus verschiedenen Ländern über Fluchtursachen, die Verquickung Deutschlands mit Terrorregimen und die Lebenssituation von Flüchtlingen berichteten. Begleitet wurde die Kundgebung von der togoischen Musikgruppe "Dekawowo".

Am Nachmittag besuchten Delegationen das Innenministerium und das Frauenministerium, um ihre Forderungen - u.a. nach Berücksichtigung frauenspezifischer Fluchtgründe im Asylverfahren - vorzubringen. Die abendliche Diskussionsveranstaltung mit dem Titel "Mythos Ausländerkriminalität" litt etwas unter der Erschöpfung aller angesichts des anstrengenden Tages. Trotzdem fand die Darstellung eines Vertreters der Forschungsstelle "Flucht und Migration" einige interessierte ZuhörerInnen. Er beschrieb detailliert die Methoden der Grenzabriegelung, insbesondere an der deutschen Ostgrenze, und die Kriminalisierung von FluchthelferInnen, ohne die Flüchtlinge kaum noch eine Chance haben, sich in Sicherheit zu bringen. Ganz besonders betonte er die zunehmende Beteiligung der Bevölkerung vor Ort, die gezielt zu Denunziation über Bürgertelefone aufgefordert wird. Bekannt geworden sind in diesem Zusammenhang die Anzeigen gegen TaxifahrerInnen, die Menschen ohne Papiere befördert haben. Einige von Ihnen sind inzwischen nach dem Fluchthilfeparagraphen verurteilt worden. Viele von ihnen versuchen, sich gegen diese Maßnahmen zur Wehr zu setzen, da ihre Aufgabe darin besteht, Menschen zu befördern und nicht darin, deren Papiere zu kontrollieren.

Reinhard Pohl thematisierte die Mär vom "kriminellen Ausländer". Er benannte die unsinnigen Vergleichsgruppen in der Kriminalstatistik, verwies auf den Zusammenhang der hohen Zahl ausländischer Tatverdächtiger mit rassistischen Einstellungen bei der Polizei und verurteilte die Doppelbestrafung für ausländische Straftäter, denen neben der Strafe auch noch die Abschiebung droht. Aktuelles Beispiel ist der türkische Jugendliche "Mehmet" der gleich mitsamt seinen seit 30 Jahren hier unbescholten lebenden Eltern abgeschoben werden sollte. Jugendliche werden in ihre sog. "Heimat" entsorgt, obwohl sie zumeist hier aufgewachsen sind und in der deutschen Gesellschaft sozialisiert und straffällig wurden. Die eigene Verantwortung wird so mit Rückgriff auf das Blutsstaatsbürgerrecht gleich mit abgeschoben.

Von der Presse wurde die Karawane in Kiel trotz Einladung völlig ignoriert. Dank einer Sendung organisiert von "anderes lernen" konnten einige KielerInnen jedoch das Geschehen im Offenen Kanal verfolgen, neben Live-Mitschnitten des Aufenthaltes in Kiel kamen im Studio drei VertreterInnen der Karawanenkerngruppe aus Kongo, dem Iran und Sri Lanka zu Wort, die ihre Motivation zur Teilnahme an der Aktion beschrieben.

Das Fazit, das bei der Abschlußkonferenz in Köln gezogen wurde, gilt auch für die Erfahrungen in Kiel: Die öffentliche Aufmerksamkeit war gering und sicher den Aufwand nicht wert. In den eigenen Reihen hat die Karawane durch die Erfahrung, in unterschiedlichster Zusammensetzung öffentlich aufzutreten, sich auf gemeinsame Forderungen zu einigen und die Möglichkeit gerade für Flüchtlinge, selbst für ihre Belange öffentlich einzutreten, Energien freigesetzt und motiviert weiterzumachen.

Initiiert wurde das ehrgeizige Unternehmen vom Internationalen Bremer Menschenrechtsverein mit starker Beteiligung des World Tamil Movement, der Föderation kurdischer Vereine Yek-Kom, der Föderation iranischer Flüchtlinge IFIR und von The Voice, einer Gruppe afrikanischer Flüchtlinge in Thüringen. Die sehr verschiedenen Gruppen, aber auch zahlreiche Einzelpersonen und deutsche Unterstützungsgruppen haben über fünf Wochen kooperiert, sich auseinandergesetzt und in 40 Städten Kontakte geknüpft. Das ging nicht ohne Konflikte und Pannen, war aber insgesamt eine großartige organisatorische Leistung und für viele eine einmalige Erfahrung. Daher herrschte Einhelligkeit darüber weiterzumachen. Da die Konferenz keine Möglichkeit einer Auswertung bot, bleibt die Frage, in was für Strukturen langfristig zusammengearbeitet werden kann. Die Gefahr besteht, daß hier ein weiterer Zusammenschluß z.B. neben dem Projekt "Kein Mensch ist illegal" entsteht. Sinnvoller wäre sicher, die Projekte zusammenzuführen und eine gemeinsame Struktur zu schaffen. Vorschläge auf der Konferenz waren ein weiterer inhaltlicher Kongreß zur Fortsetzung der Diskussion sowie die Idee, sich in die Aktionen zum EU- Gipfel im nächsten Jahr in Köln einzuklinken. Das wäre auch eine Chance, die verschiedenen sozialen Aspekte und Bewegungen zu verbinden.

Wer sich über die weiteren Aktivitäten informieren will, kann sich an das Kieler Flüchtlingsforum, Schweffelstr. 6, 24118 Kiel, Tel. 0431-565899, wenden.

(awi)