KERNspalte

Die Aktionstage für den Ausstieg aus der Atomenergie fanden insgesamt nur geringes Echo. Außer den in dieser LinX beschriebenen Aktionen fand auch noch eine Blockade von ca. 50 Personen vor der Urananreicherungsanlage in Gronau statt, die den Beginn der Frühschicht um 4 Stunden verzögern konnte, sowie eine Fahrraddemo in Ahaus am 17.9. Auch dort wurde nicht von polizeilichen Übergriffen berichtet. Die Presse berichtete über die Aktionstage in Kurzmeldungen in der Randspalte.

Mehr Aufmerksamkeit erregte da schon eine Pro-Atom-Demonstration von 100 ArbeiterInnen der Betreibergesellschaft Urenco wenige Tage zuvor in Gronau.

Beinah übersehen wurde auch ein 6 m großer Schrott-Saurier, den Greenpeace-Aktivisten am 11.9. auf die Gleise vor dem AKW Krümmel gesetzt hatten, um gegen das Wiederanbinden des Pannenreaktors ans Netz zu protestieren. In der Woche davor waren beschädigte Anlagenteile auf dem Gelände entdeckt und 11-fach überhöhte Strahlenwerte gemessen worden.

Zu einem eigentlich nicht sonderlich überraschenden Ergebnis kam eine Untersuchung des Instituts für Meereskunde der Universität Hamburg und des Bundesamtes für Schiffahrt und Hydrographie, die sich mit der Ausbreitung von Radioaktivität im arktischen Ozean beschäftigt. Trotz einer bekannt großen Menge schwach-, mittel- und hochradioaktiver Abfälle und 17 Atom-U-Booten, die die Russen in der Karasee und vor Nowaja Semlja versenkt haben, ist die Hauptquelle der strahlenden Partikel immer noch "Einleitungen aus den alten Betriebsteilen der atomaren Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield (ehemals Windscale)" in die Irische See.

Das Kernforschungszentrum Jülich versucht zum wiederholten Male, seine Existenz zu rechtfertigen. Dort untersucht man die schnellere Entsorgung radioaktiver Abfälle mithilfe eines Reaktors, der durch "Transmutation" der Spaltprodukte die Zerfallszeit auf künftig nur 1.000 Jahre reduzieren könnte. Vielleicht sollte erwähnt werden, daß schnellerer Zerfall natürlich entsprechend höhere Radioaktivität bedeutet - im Durchschnitt mindestens 1000 mal so hoch.

Um die Gefährdung der Umgebung von kontaminierten Castorbehältern ein wenig zu begrenzen, plant Frau Merkel nicht, die Transporte einzustellen, nein, auch nicht, die Oberfläche der Behälter frei von radioaktiven Partikeln zu halten, sondern den ganzen Castorbehälter in ein gigantisches Kondom zu stecken. Die Plastiktüte soll allerdings "Vollschutzhemd" genannt werden. Selbst Merkel nennt diese Maßnahme "vorläufig", auf Dauer müßten neue Behälter gebaut werden. Ohnehin kann die Lümmeltüte nur hilfreich sein, wenn die Ursache für die Verschmutzung der Behälter ausschließlich im Be- und Entladevorgang liegt - was von einigen Experten bereits angezweifelt wird. Kritiker meinen, daß die Ministerin die Zuverlässigkeit der Transportunternehmen schon deshalb nicht prüfen oder anzweifeln will, weil dies nicht nur zum Erlöschen der Transportgenehmigungen, sondern aufgrund des fehlenden Entsorgungsnachweises auch zum Erlöschen der Betriebsgenehmigungen der vorhandenen Kernkraftwerke führen könnte.

Erneut gibt es Aufregung um einen Leukämie-Cluster, diesmal in der Umgebung von Rossendorf bei Dresden. Trotz deutlich erhöhter Krebsrisiken bei Kindern wollen Forscher keinen Zusammenhang mit einem Forschungsreaktor sowjetischen Typs erkannt haben, der dort von 1957 bis 1991 in Betrieb war und dann abgebaut wurde. Der Bremer Mediziner Prof. Greiser beschuldigte die vom Dresdner Umweltministerium beauftragten Gutachter, die Studie enthalte "katastrophale Rechenfehler" und sei von "Amateuren" verfaßt. Daß 19 Jahrgänge des gemeinsamen Krebsregisters nicht ausgewertet worden seien, "rieche nach Vorsatz". Das vermutet nun auch die SPD-Opposition im Landtag. Die 951 übriggebliebenen Brennstäbe des Forschungsreaktors sollen übrigens ins Zwischenlager Ahaus verbracht werden.

Andreas Graf von Bernstorff, Gorlebener Salzstockbesitzer und Gegner des BfS (Bundesamt für Strahlenschutz) bei dessen Endlagerabsichten, erhielt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Das BfS zieht die Enteignungsanträge (betreffend die südwestliche Hälfte des Salzstocks) zurück. Die schlechte: Es hält den Antrag auf "Aufsuchung" dieser Hälfte aufrecht. Offiziell begründete das BfS diese Wendung damit, daß die nordöstliche Hälfte ausreichen könne, die geplanten 50.000 m3 hochradioaktiver Abfälle und 440.000 m3 schwachwärmeentwickelnder Abfälle aufzunehmen. Falls nicht, kann man die Bernstorffsche Hälfte ja immer noch "aufsuchen".

(BG)