Landespolitik

Rechtschreibreform:

Erfolg für Reformgegner

Wird Schleswig-Holstein nun zur "Sprachinsel" oder kann die Rechtschreibreform bundesweit rückgängig gemacht werden? Diese Frage stellt sich, nachdem am Sonntag die Wählerinnen und Wähler im Land für einen Gesetzentwurf stimmten, der die bisher übliche Rechtschreibung als verbindlichen Unterrichtsstoff an den Schulen festschreibt. 56,4% der Stimmen entfielen auf den Vorschlag der "Initiative WIR gegen die Rechtschreibreform" und stoppten damit die bereits seit zwei Jahren an den Schulen gelehrte Reform. (Eine spontane Umfrage unter Schülerinnen ergab ziemlich saure Reaktionen.) Auf einen Alternativvorschlag der Landtagsmehrheit entfielen 29,1% der Stimmen, 14,6% stimmten gegen beide Gesetzentwürfe. Kultusministerin Gisela Böhrk verfiel bereits am Wahlabend in Katastrophenstimmung. Das Land werde mit dem Ergebnis zur Sprachinsel. Bei WIR ist man hingegen euphorisch: Neben dem politischen Erfolg gibt es auch noch für jede Ja-Stimme 50 Pfennig Wahlkampfkosten-Rückerstattung, allerdings nur in Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten. Initiativen-Sprecher Matthias Dräger forderte am Sonntagabend eine Sondersitzung der Ministerpräsidenten. Das Votum der rund 840.0000 Reformgegner zwischen Nord- und Ostsee, so träumt der Lübecker Unternehmer, solle die Reform nicht nur in Deutschland, sondern "im gesamten deutschen Sprachraum abblasen."

Der Erfolg der Initiative hatte sich bereits vor dem Wahlsonntag abgezeichnet. Mit 233.000 Unterschriften hatte sie ein außerordentlich erfolgreiches Volksbegehren organisiert. Daß die Abstimmung auf den Tag der Bundestagswahl gelegt wurde, garantierte zudem eine hohe Beteiligung. In Schleswig-Holstein ist nämlich eine Zustimmung von 25% der Wahlberechtigten notwendig um eine Volksinitiative durchzubringen. 1997 war der erste landesweite Volksentscheid, den die Kirchen zur Wiedereinführung des Buß- und Bettages angestoßen hatten, an zu geringer Beteiligung gescheitert. Seinerzeit hatte die von SPD und Grünen gestellte Landesregierung verhindert, daß die Abstimmung mit der Kommunalwahl zusammengelegt wurde.

Diesen erfolgreichen Trick hätte die SPD gerne wiederholt, doch diesmal zog der grüne Juniorpartner nicht mit. Beim letzten Mal hatte er sich noch mit der Einstellung eines Flüchtlingsbeauftragten ködern lassen (die bis heute nicht erfolgt ist). Also versuchte man es diesmal mit Nebelgranaten: Die Koalitionsmehrheit verabschiedete einen eigenen Antrag, der mit auf dem Stimmzettel stand. Der Haken: Beide Antragstexte waren fast gleichlautend. Beide wollten ins Schulgesetz geschrieben haben, daß an den Schulen die allgemein übliche Rechtschreibung unterrichtet wird. Aber während WIR diese mit der "von der Bevölkerung seit langem" anerkannten gleichsetzt, wollte die Koalition sich an der Mehrheit der anderen Bundesländer orientieren.

Bei aller Trickserei unterblieb eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Initiative fast vollständig. Offenbar aus Angst, in Wahlkampfzeiten wenig geliebte Positionen zu vertreten, wurde den Populisten und Schlimmerem das Feld überlassen: Einer der führenden Köpfe der Initiative, Detlef Lindenthal, ist auch sonst ganz rege. Im russischen Oblast Kaliningrad war er 1992 für die "Aktion Deutsches Königsberg" des bekannten Kieler Verlegers, Buchhändlers und Faschisten Dietmar Munier aktiv. Auch Wolfgang Deppert, Philosoph an der Kieler Universität und ehemaliger Vorsitzender der rechtsextremen Sekte "Deutsche Unitarier", engagierte sich bei WIR gegen die Reform.

(wop)