Antifaschismus

Rostock:

Nazis marschierten im Schutze der Polizei

Ausgerechnet in Rostock hielt die NPD am 19.9. eine zentrale Kundgebung ab, die den Abschluß ihres Bundestagswahlkampfs bildete. Fast auf den Tag genau sechs Jahre zuvor, vom 22.9. bis zum 28.9.1992, war es in der Ostseestadt im Stadtteil Lichtenhagen zu tagelangen, staatlich geduldeten pogromartigen Ausschreitungen gegen Vietnamesen gekommen. Aber auch ohne diese Vorgeschichte hätte es sicherlich Grund genug gegeben, daß AntifaschistInnen aus ganz Norddeutschland und Dänemark zu Gegendemonstrationen mobilisierten. Auch vorort gab es ein Bündnis. Am Rande der Ereignisse wurde ein wendländischer Antifaschist von Nazis lebensgefährlich verletzt, die ihn offensichtlich vorsätzlich überfahren haben. Nachfolgend geben wir einige Eindrücke eines Kieler Teilnehmers wieder. Ausführlichere Berichte werden in der nächsten "enough is enough" zu finden sein. (wop)

Rostock 19.9. - das war für Kieler AntifaschistInnen zunächst das Erlebnis einer Polizeistaatsübung: Überfallen und stundenlang festgesetzt von SEK und BGS auf der Landstraße bei Bad Doberan, eingekesselt von Polizeieinheiten in der Rostocker Innenstadt. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wird beständig weiter unterhöhlt. Auch dagegen gilt es, breiten antifaschistischen Widerstand zu entwickeln.

Zu der großen Demonstration des Rostocker Bündnisses gegen Rechts in Lichtenhagen kamen nur wenige Schleswig-HolsteinerInnen durch - sie vermittelten einen sehr guten Eindruck davon. Unser Versuch, die Innenstadtdemonstration mit der anderen zusammenzuführen, wurde von der Polizei verhindert. Er scheiterte allerdings auch an der katastrophalen, verantwortungslosen Organisierung dieser Demonstration. Darüber wird noch zu reden sein. Die Orientierung, gegen die Polizeiarmee den Zugang zur Nazi-Demonstration in Dierkow zu erzwingen, war von vornherein unsinnig. Überschattet wird der Gedanke an den 19.9. immer noch von der lebensgefährlichen Verletzung eines von Nazis überfahrenen Antifaschisten.

Die Staatsgewalt hat den Faschisten ihren Aufmarsch in Dierkow gesichert. Hier marschierte unter den Fahnen der NPD ein Großteil der unverhohlen terroristischen Nazi-Szene. Eindeutig im Vordergrund ihrer Propaganda steht die soziale Demagogie. Die Faschisten versuchen, die Rolle zu spielen, für die ihre Organisationen in Westdeutschland seit dem 2. Weltkrieg in Funktion bleiben durften und beim Anschluß der DDR bereitstanden.

Rostock 19.9. bestätigte auch: Den Faschisten den Weg zu verlegen und zu schlagkräftigem Widerstand auch gegen die fortschreitende Zerstörung demokratischer Elemente der bürgerlichen Verfassung und Gesellschaft zu kommen, erfordert in der politischen Linken die Entwicklung einer umfassenden Zusammenarbeit mit allen NazigegnerInnen, unabhängig von politischen Differenzen auf anderen Gebieten, ebenso wie einer unmißverständlich radikalen antikapitalistischen Politik und antikapitalistischer gesellschaftlicher Perspektive. Einfacher wird's nicht.

Eine Zusammenführung der auf den verschiedenen Veranstaltungen in Rostock gemachten Erfahrungen und der Versuch einer gemeinsamen Bilanzierung des Aktionstages steht noch aus. In der LinX und der antifaschistischen Zeitschrift "enough is enough" wird dazu noch einiges zu lesen sein.

(D.L.)