kurz & krise

Seit Anfang August flossen umgerechnet 50 Milliarden DM aus Brasilien ab. Ausländische wie heimische Kapitalisten versuchen, ihre Schäfchen vor der nahenden Krise ins Trockene zu bringen, und verschärfen sie damit. Mit ähnlichen Problemen kämpft man auch in Ostasien (selbst im angeblich sozialistischen China), weshalb dort inzwischen der Ruf nach Kontrolle der internationalen Finanzströme laut wird. Davon mag allerdings Bundesbankchef Tietmeyer gar nichts hören. Im Gegensatz zu Frankreichs Finanzminister Strauß-Kahn, der eine Regulierung gefordert hatte. Tietmeyer erklärte sich auf der IWF-Jahrestagung in Washington lediglich bereit, Erfahrungen, die man in Chile mit solchen Kontrollen gemacht hat, "auszuwerten". Der Bundesbanker stemmt sich ebenfalls gegen eine konzertierte Aktion der westlichen Länder zur Senkung der Zinsen. Viele Experten halten das für einen Weg, den Kapitalabfluß aus den Krisenländern unattraktiver zu machen. Auch die Vertreter von Entwicklungsländern hatten in Washington entsprechende Forderungen gestellt.

Die IWF-Tagung verlief u.a. wegen dieser deutschen Blockade ergebnislos. Rund um den Globus dankten die Börsen es mit einem weiter heftigen Auf und Ab, insgesamt ging es talwärts.

Inzwischen beginnt ein weiterer Dominostein im globalen Spiel zu wanken. Waren noch vor zwei Monaten die Wirtschaftsseiten voll des Lobes für die boomende US-Wirtschaft, gerät nun auch der Dollar unter Druck. 20 Pfennig hat er schon verloren seit Anfang September und ein Ende scheint noch nicht in Sicht. Ein Grund dafür ist, daß die USA exorbitante Auslandsschulden von über einer Billion US$ haben, 25% davon in Japan. Nippons Wirtschaft aber, selbst in der Krise, beginnt ihr Geld abzuziehen, um die heimischen Probleme zu lösen. Deutschlands Exportwirtschaft, die wegen des hoch bewerteten Dollars zwei Jahre lang satte Gewinne hat einstreichen können, schaut nun in die Röhre.

Auch die SPD ist gegen eine Einschränkung des freien Kapitalverkehrs. Das könnte damit zusammenhängen, daß sie die Interessen der Profiteure zu vertreten hat: Deutschlands Kapitalexport ist förmlich explodiert. Waren es 1994 noch 27 Mrd. DM, die hiesige Unternehmen und Beteiligungsgesellschaften im Ausland anlegten, so kaufte man sich ein Jahr später schon mit 52 Mrd. ein. 1997 waren es nach vorläufigen Angaben 51 Mrd. Die 10-Milliarden-Schwelle hatte der deutsche Kapitalexport erstmals 1985 überschritten. Diesen Kapitalbewegungen ­ ihre Existenz ist ein wesentliches Kriterium der Leninschen Imperialismus-Definition ­ möchte man bei SPD und Bundesbank auch künftig alle Freiheit sichern. Am Rande: Deutsche Kapitalisten investierten 1997 12,5 Mrd. DM in den USA, andersherum waren es gerade 270 Mio. DM. Soviel zum Stichwort "immer brutalere Amerikanisierung"!

(wop)