Aus dem Kieler Rat

"Paßgenaue Lösungen" zum Kaputtsparen

SPD-Ratsfraktion legt Sparkonzept vor

Offenbar beflügelt vom Erfolg ihres "Großen Vorsitzenden" Schröder legte die SPD-Fraktion im Kieler Rat zwei Tage nach der Bundestagswahl ein Sparkonzept vor. Das liest sich - auf die Kieler Ebene transformiert - wie eine Vorankündigung dessen, was der neoliberale Neukanzler auch auf Bundesebene vor hat: Weitermachen wie Kohl, nur mit anderem Gesicht. Und OB Norbert Gansel dürfte sich ob dieser Schützenhilfe aus der Fraktion die Hände reiben.

"Solide Finanzen sichern die Zukunft unserer Stadt" oder auch "Haushaltssanierung" überschreibt man das Kaputtsparprogramm. Dazu der Fraktionsvorsitzende Jürgen Fenske: "Wir legen heute ein umfassendes Strukturkonzept vor. Damit wollen wir unseren Beitrag zur Haushaltssanierung und zum Abbau der Verschuldung leisten und deutlich machen, daß es uns mit dem Sparen Ernst ist." Dieser "Ernst" läßt sich kurzgefaßt auf den sattsam bekannten Nenner des neoliberalen ABC bringen: "Neue Formen privat-öffentlicher Zusammenarbeit", neudeutsch für Privatisieren, Verschlanken, Zerschlagen.

Und falls die Opposition im Sparführer der Mehrheitsfraktion noch eine Lücke entdecken sollte, beruhigt Fenske gleich im Vorhinein: "Unser Katalog ist nicht abgeschlossen, sondern wir sind offen für weitere Vorschläge", und "uns ist daran gelegen, diese Aufgabe nach Möglichkeit auch im Konsens zu lösen". Die Sanierung der städtischen Finanzen sei, so Fenske weiter, unabdingbar, "um neue Spielräume für die politischen Schwerpunkte Arbeit und Wirtschaft, soziale Leistungen sowie Bildung und Weiterbildung" zu erschließen. Man beachte die Reihenfolge der Prioritäten.

Einige Punkte aus dem SPD-Kaputtsparprogramm mögen diese Marschrichtung illustrieren:

Budgetierung

Öffentliche Einrichtungen, z.B. Kindergärten, erhalten einen festen Betrag, der sich nicht mehr nach dem Bedarf (der etwa während eines Haushaltsjahr schwanken kann) richtet. Zwar besteht für die Einrichtungen der Vorteil, relativ autonom über die einmal gewährten Mittel verfügen zu können. Jedoch sind diese in der Regel so niedrig, daß das Spardiktat einfach nur auf die jeweiligen Einrichtungen übertragen wird, getreu dem Motto: Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Die SPD-Ratsfraktion begrüßt, "daß mit der Aufstellung des Haushaltsentwurfs 1999 die Realisierung der Prinzipien der Budgetierung und der dezentralen Ressourcenverantwortung begonnen wird".

Damit aber klar wird, daß sich davon keine betroffene Einrichtung Vorteile erhoffen kann, heißt es im Entwurf weiter: "Das Prinzip der Budgetierung muß jedoch sein, die mittelfristige Ausgabenplanung an die mittelfristige Einnahmenplanung zu binden. Der bisherige Grundsatz, die Ausgabenplanung anhand ermittelter Bedarfe zu orientieren, muß umgekehrt werden zu einer Planung der städtischen Aufgaben auf der Grundlage der zu erwartenden Einnahmen."

Verschlankung der Verwaltung

Die Verwaltung ist der SPD zu dick. Daher sollen Ämter "zusammengeführt" werden, die "ähnliche Aufgaben erfüllen". Worauf hierbei das Hauptaugenmerk liegt, läßt sich wieder leicht aus der Reihenfolge der Auflistung ersehen: "Die Konzentration von Ämtern und Abteilungen soll mittelfristig zu einer finanziellen Entlastung führen, Reibungsverluste und aufwendige Beteiligungsverfahren minimieren, Synergieeffekte ausschöpfen und Dienstleistungen 'aus einer Hand' anbieten."

Daß solche Verschlankung mitunter auch ganze Aufgabenbereiche aushungert, liegt offenbar ebenfalls in der Absicht der SPD. So heißt es u.a.: "Aufgabenstellung und -erfüllung der Ämter sind einer Überprüfung zu unterziehen. Dabei ist insbesondere zu klären, ob die jeweilige Aufgabenstellung noch aktuell ist."

Privatisierung der städtischen Dienstleistungen

Bestimmte Ämter will die SPD privatisieren, zunächst noch im Rahmen von Modellversuchen. So soll etwa das Grünflächenamt "in einen selbständig wirtschaftenden Regiebetrieb umgewandelt werden. Ziel ist es, die Wirtschaftlichkeit der Leistungen zu erhöhen. Dazu können beitragen: (...) Kosten- und Leistungsrechnung, flexible Arbeitszeit" (!) und "(...) finanzielle Beteiligung der Mitarbeiter am Einsparerfolg". Damit diejenigen, die abgesägt werden sollen, auch noch die Säge liefern.

Aber nicht nur einzelne Ämter will die SPD kapitalisieren, warum nicht gleich die ganze Stadt? So schlägt die Fraktion vor: "Gründung eines Wirtschaftsbetriebes Kiel (Modell Oberhausen). Die Landeshauptstadt faßt ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten (...) zu einem Betrieb zusammen, an dem sich die Privatwirtschaft mit bis zu 49% beteiligen soll." Die Rechnung wird dabei leider ohne den kapitalistischen Wirt gemacht. So erwartet man ziemlich naiv "betriebswirtschaftliche Rationalisierungspotentiale, ohne daß Leistungen eingeschränkt werden".

Daß bei diesem Verfahren "Bremsspuren" auftreten, wie OB Gansel es in der September-Ratsversammlung poetisch ausdrückte, weiß indes auch die SPD. Daher komme es bei der "kostengünstigen Erbringung städtischer Leistungen" im "Interesse der Beschäftigten" und bei "Erhalt der Leistungen" auf "paßgenaue Lösungen" an.

Lediglich bei der kommunalen Beschäftigungspolitik ist die SPD nicht vollständig auf dem privaten Dampfer. Als Ziel formuliert sie hier "die Eingliederung der arbeitslosen Bürgerinnen und Bürger in den regulären, sog. 1. Arbeitsmarkt". Dabei sei "verstärkt das Instrument der Lohnkostenzuschüsse zu nutzen".

Kultur privatisieren

Auch in der Kulturpolitik setzt das SPD-Sparprogramm auf Privatisierung. So soll geprüft werden, "ob es sinnvoll ist, die städtischen Bühnen in eine neue Betriebsform (Eigenbetrieb, GmbH) zu überführen". Bei der Stadtgalerie schwebt der SPD eine "public-private-partnership" vor. Dafür biete sich die Rechtsform der Stiftung an. Das Stiftungskapital soll "aus städtischen Zuschüssen, Beiträgen des Fördervereins und Spenden der Kieler Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft dargestellt werden".

"Sozialhilfecontrolling"

Schlimme Schmarotzerer sind nach SPD-Meinung die SozialhilfeempfängerInnen. "Die bisherige Praxis der Gewährung von Sozialhilfe soll untersucht und per Datenaustausch mit Sozialversicherungsträgern und Finanzamt die Berechtigung des Sozialhilfebezuges geprüft werden. In diesem Zusammenhang ist auch eine Überprüfung der Pauschalen im Sozialhilfebezug vorzunehmen." Auch hier die Devise: Streichen, zumindest aber Austrocknen.

Heuern und Feuern - oder doch nicht?

Während die SPD den Feind des braven Steuerzahlers im Sozialhilfeempfänger eindeutig ausmachen kann, ist sie bei Parteigängern in der Verwaltung schon vorsichtiger. Die Personalentwicklung soll "angepaßt" werden. Das liest sich voll von Widersprüchen so: "Es bleibt unser Ziel, betriebsbedingte Entlassungen zu vermeiden. Verwaltungsreform, Aufgabenkritik und Haushaltskonsolidierung führen zu Personaleinsparungen bei der Stadt, zu der sich die SPD bekennt. Personaleinsparungen nach der 'Rasenmähermethode' lehnt die SPD ab, die Aufgabenkritik muß der Personaleinsparung grundsätzlich vorangehen. Vor dem Hintergrund der städtischen Finanzsituation hält die SPD-Fraktion an den beschlossenen Maßnahmen zur Personaleinsparung mit dem Ziel einer Senkung der Personalkostenquote fest." Was denn nun?

Daueraufgabe Kaputtsparen

"Haushaltskonsolidierung ist eine Daueraufgabe, städtische Leistungen sind kontinuierlich zu prüfen", heißt es im Haushaltskonzept der SPD. Und wer Bedenken gegen diesen neoliberalen Katalog des Zersparens hat, der wird auf den Gemeinsinn verwiesen: "Die Haushaltskonsolidierung verlangt Bürgerinnen und Bürgern sowie den Beschäftigten vieles ab. Die SPD-Fraktion appelliert an den Gemeinsinn in der Stadt, die Lasten gemeinsam und solidarisch zu tragen." Die SPD hat, wie man sieht, von der CDU/FDP gelernt und kann ihren Parteinamen nunmehr wie folgt abkürzen: SPD - Sparen, Privatisieren, Deregulieren. Trotz Regierungswechsel in Bonn wird man sich auch in Kiel auf eine Fortsetzung des Oggersheimer Kurses verlassen dürfen. Die Mittel sind nur insofern andere, als sie in schönerer Verkleidung daherkommen. Aber wie sagte schon der 16-Jahres-Kanzler? Wichtig ist, was hinten raus kommt.

Die Veröffentlichung des SPD-Sparkatalogs, die die vereinbarte Vertraulichkeit verletze, hat die CDU Anfang Oktober zum Ausstieg aus der interfraktionellen Haushaltskonsolidierungskommission veranlaßt. Auch die Niederlage bei der Bundestagswahl mag die CDU zu diesem Schwenk von ihrer bisherigen Umarmungstaktik zurück in die Opposition bewogen haben. Ratsherr Hein-Peter Weyher (CDU) klagte eifersüchtig, die SPD habe von den unveröffentlichten Sparvorschlägen der CDU "etliches übernommen". Dennoch, so Weyher weiter, wolle sich die CDU-Fraktion im Finanzausschuß "sinnvollen Lösungen nicht entziehen". SPD und SUK reagierten enttäuscht auf den Rückzug der CDU. Die SPD fand die Maßnahme "vollkommen unverständlich". In der Tat: Beim Wetteifer ums Kaputtsparen ist die SPD längst auf CDU-Kurs. Aber vielleicht hat die CDU darob bemerkt, daß man sie in der Kaputtsparkommission auch gar nicht mehr braucht. Die "New-SPD" wird's auch ohne die Schwarzen ganz in deren Sinne richten.

(jm)