Betrieb & Gewerkschaft

Für den Erhalt des Flächentarifs

Tischler streiken

"Nichts geht mehr", heißt es seit Donnerstag letzter Woche bei den größeren Tischlereibetrieben nördlich der Elbe. In Hamburg und Schleswig-Holstein wird im Holz- und Kunststoffhandwerk gestreikt. In Kiel sind u.a. die Betriebe Muhlack, Fischer und Lühr betroffen. Der Grund für den Ausstand: Die im Fachverband zusammengeschlossenen Unternehmer haben den Tarifvertrag mit der Gewerkschaft Holz- und Kunststoff (ghk) gekündigt und lehnen Verhandlungen ab. Statt dessen haben sie einen für sie günstigeren mit der Christlichen Gewerkschaft (CGD) abgeschlossen, einer Winz-Organisation, die unter den 8.000 Arbeitern und Angestellten in der Region kaum vertreten ist. 1,7% Gehaltserhöhung rückwirkend zum 1.8. sieht die neue Vereinbarung vor. Außerdem soll die Wochenarbeitszeit flexibilisiert werden. Statt der 37-Stunden-Woche soll die Arbeitszeit künftig zwischen 32 und 42 Wochenstunden betragen. Folge: Überstundenzuschläge werden erst ab der 43. Wochenstunde statt wie bisher nach der 37. gezahlt. Das zusätzlich Urlaubsgeld wird von bisher 55% des durchschnittlichen Verdienstes der letzten drei Monate auf drei tarifliche Stundenlöhne pro Urlaubstag gekürzt. Und übers Weihnachtsgeld schweigt sich das neue Vertragswerk ganz aus.

Bei der ghk sieht man im Vorgehen der Unternehmer das Ende des Flächentarifvertrags. Dadurch, daß die Christlichen kaum Mitglieder im betroffenen Gewerbe haben, meint der Kieler Gewerkschaftssekretär Michael Börngen, haben die Handwerksmeister praktisch mit sich selbst verhandelt. "Wenn die damit durchkommen, können die in ein paar Jahren den Vertrag ganz kündigen. Dann würden wir vollends ohne Tarifbindung dastehen." Im Gegensatz zur CGD kann die DGB-Gewerkschaft auf einen Organisationsgrad von immerhin 30% verweisen, was für das Handwerk nicht so schlecht ist. Allein in Kiel, so Börngen, sind seit Streikbeginn am Montag letzter Woche bereits über 50 Neueintritte zu verzeichnen, eine Steigerung um ein Fünftel.

Am Donnerstag schloß man sich auch in Lübeck und Hamburg an. Insgesamt sind über zahlreiche Kleinbetriebe verstreut ca. 250 Handwerker im unbefristeten Streik. "Wir konzentrieren uns auf die drei Städte", meint ghk-Bezirksleiter Jürgen Zülsdorf. Mit Streikposten und Aufklärungsaktionen ist man bestrebt, die Aktion auszuweiten. Die Stimmung sei gut. Auch in den anderen Städten habe es Dutzende von Neueintritten gegeben. "Wir müssen den Meistern direkt dankbar sein, denn so eine Eintrittswelle kennen wir aus dem Handwerk seit Jahren nicht mehr." In zwei Betrieben in Hamburg bzw. Hamburger Umland wurden bereits Haustarifverträge abgeschlossen, in denen die ghk im wesentlichen ihre Forderungen durchsetzen konnte. Dort bleibt es bei der 37-Stunden-Woche, außerdem konnte die 100%ige Lohnfortzahlung bei Krankheit festgeschrieben werden.

Beim Unternehmerverband Holz und Kunststoff zieht man sich darauf zurück, daß sich die ghk ja in die IG Metall auflösen würde. "Dies bedeutet, daß Sie künftig als 'Metaller' die Holzbranche vertreten wollen", schreiben sie in einem offenen Brief an Zülsdorf. "Wir können dies nicht akzeptieren." Am Telefon wollte man beim Verband allerdings weder zum Streik, noch zu dieser eigenwilligen Position stellungnehmen, die der Gewerkschaft die Organisations-Strukturen vorschreiben will.

Bei der Gewerkschaft bestreitet man, daß es für die Meister keine Ansprechpartner aus der Branche mehr geben würde. Es gebe mit der IGM klare Vereinbarungen über die Einrichtung von Branchenausschüssen, so Börngen. Die werden die Tarifkommissionen aus ihren Reihen wählen. Auch in Zukunft werden Tischler selbst über ihre Verträge mit den Verbänden der Gegenseite verhandeln. Der Zusammenschluß sei notwendig geworden, weil die kleinste DGB-Gewerkschaft in den letzten Jahren unter erheblichen Mitgliederschwund zu leiden hatte, verursacht v.a. durch den Abbau von Arbeitsplätzen.

Daß es den Handwerksmeistern weniger ums Geld, als um das Aushebeln des Tarifvertrags geht, zeige auch das Kieler Beispiel der Firma Kampowski, berichtet Zülsdorf. Dort hat der Chef die Streikenden mit zwei DM mehr pro Stunde zur Wiederaufnahme der Arbeit überredet. Per Tarifvertrag wollte er das aber nicht festschreiben. "Wir haben die Kollegen gewarnt, aber die haben sich ersteinmal von dem Geld blenden lassen."

Was die weiteren Aussichten für den Arbeitskampf angeht, ist Börngen zuversichtlich, "wenn es auch sicherlich keine einfache Runde werden wird. Wir wollen, daß ohne Vorbedingungen wieder verhandelt wird, aber bisher zeigt die Gegenseite keine Bereitschaft."

(wop)