Koalitionsvertrag

"Mit Günther wäre ich sofort auf die Hardthöhe gegangen"

Alles bleibt beim Alten. Auf diese kurze Formel lassen sich die außen- und verteidigungspolitischen Kapitel des Koalitionsvertrages bringen. Besonders innovativ im Vertagen von Meinungsverschiedenheiten war man in Fragen von Bundeswehr und Rüstungspolitik. Eine Wehrstrukturkommission soll in zwei Jahren eine aktualisierte "Bedrohungsanalyse" vorlegen. Bis dahin wollen SPD und Grüne "keine Sach- und Haushaltsentscheidungen (treffen), die die zu untersuchenden Bereiche wesentlich verändern oder neue Fakten schaffen".

Auf die Arbeit in dieser Kommission will sich Angelika Beer, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, jetzt stürzen, um doch noch Abrüstung durchzusetzen. Mit welchem Ziel allerdings die Umstrukturierung der Bundeswehr angegangen werden soll, bleibt zunächst offen. Ein "erweiterter Sicherheitsbegriff" müsse her, haben die beiden Partner festgeschrieben und lassen damit nichts Gutes hoffen. Auch Beer selbst, einst entschiedene Kritikerin von Rüstungsexport und Türkeipolitik, dämpft die Hoffnungen. Die grüne Programmatik müsse "weiter entwickelt werden", sagte sie gegenüber der Presse in Kiel. Die Beschlußlage der ehemals pazifistischen Partei spricht sich noch gegen jeden Kampfeinsatz der Bundeswehr im Ausland aus. Laut Koalitionsvertrag sollen allerdings der UNO deutsche Kampfverbände für "friedenserhaltende Maßnahmen" angeboten werden. Die sollen dann Deutschlands "besondere Verantwortung für Demokratie und Stabilität in Mittel-, Ost- und Südosteuropa" wahrnehmen, wie es so schön in der Vertragslyrik heißt. Ein Schelm, wer dabei an die Unterstützung albanischer Seperatisten denkt.

Eigentlich hätte die langjährige schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete ja als Staatssekretärin ins Kriegsministerium gesollt. Aber unter Scharping wollte sie nicht. "Mit Günther (Verheugen) wäre ich sofort auf die Hardthöhe gegangen", vertraut sie lächelnd der Kieler Presse an. Nun wolle sie sich lieber auf die Arbeit in Fraktion und Strukturkommission konzentrieren. "Meine Aufgabe in den Verhandlungen war auch, die Partei programmamtisch ein Stück mitzunehmen", berichtet die ehemalige Linke freimütig. 1990 hatten sich die Parteilinken um Ebermann und Trampert gewundert, warum die seinerzeit zu ihrem Kreis zählende Beer nicht mit ihnen die Grünen verließ. Jetzt dürften sie die Antwort gefunden haben.

Auch in anderen Fragen der Außenpolitik wird das grüne Programm den Koalitionsrealitäten angepaßt werden müssen. In Sachen Europapolitik wird die "zügige Umsetzung der innen- und rechtspolitischen Vorhaben im Vertrag vom Amsterdam" versprochen, d.h. mit Europol geht es voran. Ebenso mit der Festung Europa, denn die Koalitionäre wollen sich "für die Integration des Schengen-Bestandes in das europäische Gemeinschaftsrecht" einsetzen. Ach ja, und im Falle einer EU-Osterweiterung sind natürlich "Übergangsfristen, z.B. bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit, erforderlich". Offene Grenzen für deutsche Waren und deutsches Kapital, aber, bitte schön, nicht für polnische Arbeiter.

Einige Änderungen gegenüber der Politik der Kohlära gibt es selbstverständlich auch: Erwartungsgemäß werden für Nichtregierungsorganisationen ein paar Fleischtöpfe aufgemacht. Schließlich, das wissen die Grünen aus eigener Erfahrung, ist das beste Mittel gegen Opposition, sie zu bezahlen.

(wop)