Koalitionsvertrag

Kommentar:

Egalité! Gleichheit!

Kann man sich das vorstellen? Da ziehen hunderttausende von Schülern im ganzen Land durch die Straßen und fordern Gleichheit! Frankreich, du hast es besser!

Hierzulande sind derlei republikanische Ideen wieder aus der Mode gekommen, waren wohl auch nie besonders tief in die Gesellschaft eingedrungen. Selbst jene inzwischen gutversorgten Kleinbürger, die von sich behaupten, die BRD zivilisiert zu haben, und ihre FDP-Nachfolgepartei trennten sich längst wieder von ihren Jugendsünden. Daß einigen Millionen Einwohnern die bürgerlichen Rechte vorenthalten werden, daß Menschen, ohne ein Vergehen begangen zu haben, eingeknastet und schließlich an ihre Folterer augeliefert werden, daß Jugendliche wegen falscher Haarfarbe und falschem Paß aus der Gesellschaft ausgestoßen und schließlich - wenn sie sich der ihnen zugewiesenen Rolle gemäß wie Outlaws aufführen - deportiert werden, wird nach Möglichkeit verdrängt. Lang ist es her, daß die Partei der Privatisierer und Marktfetischisten Einwohnerrechte forderte, gleiches Recht für alle hier Lebenden.

Einige scheinen sich noch daran zu erinnern, weshalb uns der Koalitionsvertrag als großer Erfolg in dieser Frage verkauft werden soll. Eingeklemmt zwischen "Innerer Sicherheit" und "Drogenbekämpfung" werden Erleichterungen für die Einbürgerung versprochen - die natürlich nur gelten, wenn der Betroffene nicht arbeitslos ist. Und: Hier geborene Kinder sollen einen deutschen Paß erhalten - wenn auch schon Vater oder Mutter hier geboren, oder vor dem 14. Geburtstag eingewandert ist. Wow! Gleichberechtigung nach nur drei Generationen!

Sicherlich: Für einige Hunderttausend oder vielleicht auch mehr, wird das eine erhebliche Erleichterung bedeuten. Auch die Tatsache, daß in Zukunft nicht mehr auf die Aufgabe der alten Staatsbürgerschaft bestanden werden soll. Doch eine Aufgabe des alten rassistischen Staatsbürgerrechts ist das mitnichten und "modern" - wie versprochen - nur, wenn man Modernität als Ende der "Gleichmacherei" definiert (was wiederum sehr in Mode ist). Nach dem Buchstaben des Koalitionsvertrages wird auch in Zukunft die Staatsbürgerschaft nicht nach dem Territorialprinzip geregelt. Der Gedanke, daß alle in einer Gesellschaft Lebenden die gleichen politischen Rechte haben müssen, findet sich in dem Vertragswerk an keiner Stelle.

Der Rest paßt dazu: Deutschland ist kein Einwanderungsland, sondern es wird anerkannt, daß "ein unumkehrbarer Zuwanderungsprozeß in der Vergangenheit stattgefunden hat". Integriert werden nur die, "die sich zu unseren Verfassungswerten bekennen". Und damit in Zukunft nicht noch mehr kommen, wird sich für Flüchtlinge kaum etwas ändern: Das Asylbewerberleistungsgesetz bleibt unerwähnt, Abschiebehaft und Flughafenverfahren werden lediglich auf ihre Verhältnismäßigkeit "überprüft" und die Abschottungspolitik EU-weit zentralisiert.

(wop)