Kultur

KLAUS KORDON las im Werftparktheater

"Immer auf der Seite der Schwachen"

"Das Buch hat mir Mut gemacht und gezeigt, daß wir etwas erreichen können, wenn wir uns zusammentun." So beschreibt die 12jährige Anna ihr Leseerlebnis mit Klaus Kordons "Die Roten Matrosen - oder: Ein vergessener Winter". Der Autor lächelt zufrieden, genau das will er erreichen. Seinen Lesern die Courage vermitteln, "mit der Menschen ihr Leben eingesetzt haben für den Traum von einer gerechten Gesellschaft".

Klaus Kordon im Werftparktheater (Foto: jm)

Auch nach dem Ende des "realexistierenden" Sozialismus sei dieser Traum "noch nicht erledigt", bekennt Kordon. "Ich bin parteiisch - immer auf der Seite der Schwachen." Kordons Ansatz, in seinen Jugendbüchern "Geschichte von unten zu erzählen", wurde mehrfach preisgekrönt, zuletzt mit dem Preis der Deutschen Akademie der Künste. "In Geschichtsbüchern erfahren Jugendliche nur etwas aus der Sicht der Oberen. Ich schreibe aus der Perspektive jener, die unter deren Entscheidungen am meisten leiden mußten. Das geht unter die Haut. Und was unter die Haut geht, kann man nicht abduschen." Die "Roten Matrosen" sind der erste Band einer Trilogie, die am Beispiel der Arbeiterfamilie Gebhardt aus dem Berliner Wedding die wechselvolle deutsche Geschichte zwischen 1918 und '45 aufrollt. "Ich wollte eigentlich keinen historischen Roman schreiben, schon gar keine Trilogie. Aber in Gesprächen mit Jugendlichen habe ich bemerkt, daß die von der Novemberrevolution 1918 rein gar nichts wußten." Das dürfte Erwachsenen nicht anders gehen, denn "über dem 9. November 1989 ist der 9. November 1918 völlig in Vergessenheit geraten. Dabei wurden hier die Weichen für das ganze Jahrhundert gestellt".
Aus der Sicht seines jungen Helden Helmut "Helle" Gebhardt läßt Kordon die revolutionären Ereignisse in Berlin Revue passieren. Denn "Geschichte muß erfahrbar sein. Ein Schicksal sagt mehr als Zahlen und tote Fakten." Bei den jugendlichen Lesern kommt das an. Kordon sieht sich jedoch nicht als reinen Jugendbuchautor: "Ich mag diese Schubladen nicht. Es gibt nur gute oder schlechte Bücher." Über Erich Kästner hat Kordon eine Biographie verfaßt. Ist der Autor des "Fliegenden Klassenzimmers" sein Vorbild? Klaus Kordon schüttelt den Kopf. "Nein, Kästners Kinderbücher sind voll von heiler Welt. Bei mir kommen die Figuren aus dem vierten Hinterhof, bei ihm ist diese Wirklichkeit ausgeklammert." Allerdings komme "dem Moralisten Kästner, der immer auf die Vernunft setzte - ich dagegen eher auf die Emotionen, nur über die kann man etwas erreichen -, das Verdienst zu, Kinder als Leser ernstzunehmen." Kordon mag keine Vorbilder. Wenn, dann nennt er Heinrich Mann, Hans Fallada und Lisa Tetzner, die schon in den frühen 30er Jahren politische Jugendbücher schrieb.

Politik ist für Kordon eine bestimmende Größe, jedoch ohne ideologischen Selbstzweck. "Hinter politischen Idealen stehen immer Menschen." Daß diese wie jene oft genug verraten wurden, weiß Kordon. Und so ist sein Credo: "Man kann mit Büchern die Welt nicht verändern, aber man kann den Menschen verändern, und der verändert dann die Welt."

(jm)