kurz & krise

Der ibero-amerikanische Gipfel hat Mitte Oktober Japan, die USA und die EU aufgefordert, endlich aktiv zu werden, um ein weiteres Umsichgreifen der Krise zu verhindern. China und Brasilien, so Brasiliens Präsident Fernando Cardoso, stopfen im Augenblick die Löcher im Deich, der die Krise zurückhält. Sollte einer von beiden seinen Finger rausziehen, würde die Weltökonomie in der Flutwelle aus Südostasien absaufen. Die Maßnahmen, die auf Vorschlag der neoliberalen Riege Cardoso, Menem (Argentinien), Aznar (Spanien) und Zedillo (Mexiko) gefordert werden, passen allerdings so wunderschön ins Bild hiesiger Export-Fundamentalisten, daß man sich wundern muß, daß der Hilferuf aus Lateinamerika hiesigen Medien kaum eine Meldung wert war. Eine weitere Liberalisierung des Welthandels wurde gefordert. Die Sache hat nur einen Haken: Südamerika möchte seine Agrarprodukte in Europa absetzen. Agenturen melden jedoch, daß ausgerechnet Deutschland, das so gerne alle Schranken für seine Exporte niederreißt, sich innerhalb der EU gegen die Aufhebung der Einfuhrbeschränkungen sperrt.

Innerhalb der EU wird inzwischen der Ruf nach Zinssenkungen zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur Stabilisierung der Weltfinanzmärkte lauter. Auch die meisten sozialdemokratischen Regierungen schließen sich dem inzwischen an, inkl. der neuen deutschen. Allerdings betonen sie nach wie vor die Unabhängigkeit der Zentralbanken, denen man nichts vorschreiben könne. Auch von staatlichen Investitionsprogrammen ist immer öfter die Rede. EU-weit scheint sich eine Abkehr von der regiden Sparpolitik der letzten 15 Jahre abzuzeichnen, wie zuletzt auf dem informellen Treffen der EU-Regierungschefs in Österreich deutlich wurde. Nicht unwahrscheinlich ist, daß schon bald gemeinsame Arbeitsmarktinitiativen beschlossen werden.

Die Europäische Kommission glaubt ungeachtet der schweren wirtschaftlichen Erschütterungen in Rußland, Asien und Lateinamerika weiter, Europa sei eine ferne Insel und werde im nächsten Jahr ein Wirtschaftswachstum von 2,4% zu vermelden haben. Im Jahre 2000 sollen es gar 2,9% sein, aber das wäre in den letzten eineinhalb Jahren nicht die erste Prognose, die nach unten revidiert werden müßte. Interessant auch, daß die Kommission einen Rückgang der Arbeitslosenquote von 10,7% auf 9% bis zum Jahr 2000 erwartet. 5,3% Wirtschaftswachstum bringen also 1,7% weniger Arbeitslose, oder, mit anderen Worten, die Produktivität steigt immer weiter, während sich an der Massenarbeitslosigkeit kaum etwas ändert.

In der Tschechischen Republik geht es mit der Wirtschaft wieder bergab. Besonders auf dem Land, wo man nicht mit den billigen Importen mithalten kann, die aus der EU hereinströmen. Doch während die EU die Grenzen für ihre Exporte geöffnet hat, droht man gleichzeitig mit der Wiedereinführung der Visumspflicht, wenn Prag nicht seine Roma im Lande behält.

(wop)