Ökologie

Kein prima Klima in Buenos Aires

Nikaragua und Honduras stehen vor einer ökonomischen Katastrophe: Täglich wird die Zahl der gemeldeten Toten erhöht, die der Rekord-Hurrikan "Mitch" gefordert hat. Bei Redaktionsschluß waren es 14.000. In Honduras ist 10% der Bevölkerung obdachlos geworden, 70% der Ernte wurden vernichtet. Nur einen Monat zuvor hatte der Hurrikan "George" auf Kuba und anderen karibischen Inseln schwere Verwüstungen angerichtet und 4.000 Menschenleben gekostet. Die "atlantische Wertegemeinschaft", die so erpicht darauf ist, im Kosovo die Menschenrechte herbeizubomben, schaut zu und denkt nicht im Traum daran, das Embargo gegen Kuba aufzuheben, oder Nikaragua die ohnehin ungerechte und erdrückende Schuldenlast abzunehmen.

Wenig beeindruckt von den Unwettern zeigen sich auch die Vertreter der Industriestaaten bei den diesjährigen Klimaverhandlungen, zu denen man sich noch bis zum Ende der Woche in Buenos Aires trifft. Zäh laufen die Gespräche, und wirksame Beschlüsse sind weit und breit nicht in Sicht.

Klimakiller Nummer 1 - Kohlendioxid

Nun ist kaum nachzuweisen, daß die Katastrophen direkt auf die Treibhausgase zurückzuführen sind. Dafür ist das Klimasystem viel zu komplex, um solch einfache Aussagen zu erlauben. Aber sie geben einen Ausblick darauf, was uns bei einem "Weiter so!" droht. Extremereignisse, d.h. Dürren, Wolkenbrüche, Stürme, unzeitige Fröste &c. werden - da sind sich die Wissenschaftler einig - zunehmen, wenn sich die untere Atmosphäre weiter erwärmt. Und dorthin ist sie auf dem besten Wege: Seit ungefähr 140 Jahren gibt es verläßliche Temperaturmessungen, die die Berechnung einer gemittelten globalen Temperatur zulassen, und die 13 wärmsten Jahre seitdem wurden zwischen 1980 und 1997 gemessen. 1998 verspricht - in Norddeutschland wird man das nach dem ausgefallenen Sommer nicht glauben wollen - das heißeste je gemessene Jahr zu werden. Das erste Halbjahr war gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um ein halbes Grad wärmer. Das ist der schnellste je registrierte Temperaturanstieg.

In Deutschland und anderswo in Europa haben sich die Zeitungsleser längst an solche Katastrophenmeldungen und die sich inzwischen fast gebetsmühlenartig wiederholenden Warnungen der Klimatologen gewöhnt. Die alte Bundesregierung hat medienwirksam Aktivität simuliert, so daß das Thema bei den meisten Menschen als diffuse Bedrohung im Hintergrund des Bewußtseins schlummert, auf die es keine rechte politische Antwort zu geben scheint. So ist es denn auch kaum jemandem aufgefallen, daß Rosa-Grün auch auf diesem Felde vollständig versagt: Kein Umsteuern im Verkehrssektor, energieintensive Industrien werden von der angeblichen Öko-Steuer ausgenommen usw.

Statt dessen macht sich der grüne Umweltminister Trittin teilweise die Argumentation der Verhandlungsbremser in Buenos Aires zu eigen und fordert, daß "mittel- und langfristig auch die Entwicklungsländer zur Übernahme entsprechender (Reduktions-) Verpflichtungen bewegt werden". Eine Position, die bestens dazu geeignet ist, die Verhandlungen zu sprengen. Anfang letzter Woche führte ein Vorstoß Argentiniens in diese Richtung, hinter dem man mit einiger Sicherheit die USA annehmen darf, fast zu einem Eklat. Die allermeisten der in der Gruppe 77 zusammengeschlossenen Entwicklungsländer lehnen zum jetzigen Zeitpunkt die Beschränkung ihrer Treibhausgasemissionen ab. Sie können darauf verweisen, daß die 30% Anstieg in den letzten 150 Jahren allein auf das Konto des reichen Nordens gehen, und das ihre Emissionen oftmals noch nicht einmal den Anteil ausmachen, der ihnen an der Aufnahmefähigkeit der Ozeane und Biosphäre zusteht. (Derzeit wird etwa die Hälfte der Emissionen des wichtigsten Treibhausgases Kohlendioxid der Luft durch natürliche Vorgänge wieder entzogen.)

In China kann man darauf verweisen, daß pro Kopf nur ein Zehntel dessen an Kohlendioxid produziert wird, was ein durchschnittlicher Nordamerikaner der Atmosphäre zumutet. In Indien ist es gar weniger als ein Zwanzigstel. Die Volksrepublik China hat daher in den Kyotoer Verhandlungen letztes Jahr die Position Indiens und einiger afrikanischer Staaten unterstützt, die eine Bemessung der zulässigen Emissionen nach der Bevölkerungszahl fordern. Vor allem wollten sie den Gleichheitsgrundsatz angewandt sehen, eine Forderung, die der Verhandlungsführer der USA postwendend abbügelte. Aber auch in anderen Industriestaaten hört man derlei Forderungen nicht gerne, liefen sie doch darauf hinaus, daß z.B. in Deutschland die Emissionen gegenüber 1990 um rund 85% gekürzt werden müßten.

Derlei wird also auch in diesem Jahr nicht verhandelt werden. Statt dessen geht es z.B. um den "Handel" von Emissionen. Dahinter verbirgt sich, daß v.a. Rußland und die Ukraine wegen ihrer desolaten Wirtschaft weit aus weniger Kohlendioxid in die Luft blasen, als sie vertraglich dürften. Einige Staaten, an vorderster Front die USA, fordern nun das Recht, diesen Ländern die Emissionstitel abkaufen zu dürfen. Das wäre zwar für beide Seiten ein einträgliches Geschäft, brächte aber für die Atmosphäre keinerlei Entlastung.

In den Ländern des Südens ist man entsprechend frustriert. "Seit die Klimaschutzkonvention 1994 in Kraft trat, haben wir wenig Fortschritt bei der Umsetzung der Verpflichtungen gesehen, die die Industrieländer eingegangen sind", stellte Simbabwes Umweltminister Simon Kahya Moyo bereits in Kyoto fest. Und daran hat sich seitdem nichts geändert: In manchen Ländern werden im Jahre 2000 die Emissionen nicht einmal stabilisiert sein. Auch in Deutschland, das das Ziel aufgrund der Deindustrialisierung der ehemaligen DDR zwar erreichen wird, wachsen schon seit einigen Jahren die Emissionen wieder.

Angesichts dieser tiefen Widersprüche ist für Buenos Aires kaum mit Fortschritten zu rechnen. Das Bundesumweltministerium läßt jedenfalls vorsorglich schon mal wissen, daß es als Erfolg zu werten sein wird, wenn "zumindest ein klares Arbeitsprogramm mit konkreten Zeitvorgaben" für weitere Verhandlungen erreicht wird.

(wop)

Am 12.12. veranstaltet der Motorrad Club "Kuhle Wampe" eine Solidaritätsparty für Nikaragua. Näheres im Terminkalender.