Geschichte

Veranstaltungen zum 80. Jahrestag der Novemberrevolution

Am 31.10. fand in der Pumpe eine Fachkonferenz zum 80. Jahrestag der Novemberrevolution statt. Ungefähr 70 BesucherInnen unterschiedlichen Alters verfolgten die Vorträge und Filmbeiträge.

Für gut befunden wurde die Mischung des Programms. Besonders der Vormittag gefiel mit der einführenden Lesung durch Stefan Linck, der sich mit dem noch zehn Jahre nach der Revolution mit der Aufklärung ihrer Ursachen und ihres Verlaufs beschäftigten Untersuchungsausschuß befaßte; mit der Beleuchtung besonders der letzten Phase der Kieler Ereignisse (Anfang 1919) durch Klaus Kuhl, der dabei auch Ausschnitte aus seinem Film "November" verwendete; mit Dietrich Lohses Referat über Carl Legien, das für viele Unbekanntes aber unbedingt Wissenswertes über diesen Gewerkschaftsführer zur Sprache brachte; schließlich mit Karl Siebigs Vorstellung seines Films "Ich bin kein Herr - Ernst Busch in Kiel", die viele veranlaßte, am Abend noch ins "sub rosa" zu kommen, um diesen interessanten Film in voller Länge sehen zu können.

"Vorwärts im Sinne unserer Vorkämpfer Reichpietsch - Cöbes": Ehrung der Opfer der Novemberrevolution am 8.11. auf dem Eichhoffriedhof (Foto: wop)

Der Nachmittagsteil mit den Vorträgen der Professoren Wolfgang Ruge - "Der Platz der Novemberrevolution in der deutschen Geschichte" -, Heinz Niemann - "Die Rolle der Sozialdemokratie in der unterschiedlichen Sicht von westdeutscher und DDR-Geschichtsschreibung" - sowie Klaus Kinner - "Revolution und historische Illusion - Die deutsche Revolution 1918/19 und die KPD" - war für viele ein harter Brocken. Es war schade, daß nicht mehr Zeit zur Verfügung stand, um mit diesen Vorträgen zu arbeiten und das Fachwissen der Referenten zu nutzen, zur Klärung von Detailfragen und auch zur schärfer konturierten politischen Auseinandersetzung. Ruge, Niemann und Kinner setzten sich bei der Behandlung ihrer Themen kritisch und selbstkritisch mit den Arbeitsbedingungen in der DDR und ihrem eigenen Umgang damit auseinander und stellten einen Großteil ihrer eigenen früheren Aussagen in Frage. Vielleicht hätten wir uns doch trauen sollen, ein ganzes Wochenende für diese Konferenz anzusetzen?

Wir bemühen uns, aufgrund der Mitschnitte der Nachmittags-Referate (vom Vortrag über Legien liegen bereits Aufzeichnungen vor, die inzwischen überarbeitet sind) eine brauchbare Veröffentlichung zustande zu bringen. In der LinX werden wir noch auf Inhalte der Veranstaltung zurückkommen.

Am 8.11. fand nach der Kranzniederlegung am Gedenkstein "für die Opfer der Revolution" auf dem Eichhof-Friedhof eine Veranstaltung der DKP im Legienhof statt. ReferentInnen waren Günter Stahmer, Günter Judick, Eckart Spoo ("zum ersten Mal auf einer DKP-Veranstaltung") und Nina Hager. Für die kulturell-politische Umrahmung sorgte Erich Schaffner. Günter Stahmer sprach kurz zu den Ereignissen in Kiel, während Günter Judick in einer Reihe von Thesen eine grundsätzliche Bewertung der Novemberrevolution und ihrer gegenwärtigen Bedeutung aus Sicht der DKP vornahm.

Für Diskussion blieb an diesem Tag kaum Raum; Nachholbedarf also auch nach dieser Veranstaltung. Eckart Spoo, vielen noch als Journalist der "Frankfurter Rundschau" bekannt, befand (verständlicherweise) das ihm gestellte Thema "Bilanz revolutionärer Politik in diesem Jahrhundert" für einen "allzu dicken Brocken". In der Definition des Charakters von Revolutionen neigt Spoo nach eigener Aussage eher Walter Benjamin zu als Marx oder Lenin, also: nicht "Lokomotiven der Geschichte", sondern eher "Notbremse in dahinrasender kapitalistischer Lokomotive". Viel Raum nahm er sich für die Kritik an den bürgerlichen Medien.

Hier ist leider auch nicht annähernd genug Platz für eine Zusammenfassung der genannten Referate; auch die DKP plant die Herausgabe einer Textmappe. Der Vortrag Nina Hagers war für mich eine große Enttäuschung - ein geschichtsbilanzierender Rundumschlag, auch betreffend die Geschichte von KPD, SED und DDR, ohne die Spur eines ernsthaften Ansatzes der Selbstkritik und ernstzunehmender Analyse.

Es ist zu hoffen, daß die verschiedenen Aktivitäten aus Anlaß des Jahrestages der deutschen Revolution von 1918 der Zusammenarbeit linker Kräfte in Kiel einige Impulse verliehen haben. Das wird die Zukunft zeigen müssen. Mit dem Thema sind wir noch nicht ganz durch: Voraussichtlich Ende Januar wird es ein Folgetreffen der Fachkonferenz geben, wo dann wirklich (weiter-) diskutiert werden kann und ein festerer Bogen in die Gegenwart geschlagen werden soll.

(D.L.)