Internationales

(Kein) Frieden für Kurdistan

Abdullah Öcalan, Vorsitzender der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), hat in Italien politisches Asyl beantragt. In einer Erklärung, in der er mit blumigen Worten seinen Schritt mit dem Gang des Heiligen Petrus verglich, stellte er am 16.11. fest: "Was meinen Teil angeht, so bin ich gegen jeglichen Terror - auch wenn er von uns ausgeht. Ich bin bereit, alles in meiner Macht stehende zu tun, damit er sofort beendet wird. Dafür wünsche ich lediglich, daß die Menschheit, vor allem die Vereinten Nationen, die Europäische Union und ähnliche Körperschaften, die Menschenrechte und die Demokratie verteidigen, sich als Beobachter, und wenn möglich, auch als Handelnde in Bewegung setzen. Ich bin nach Italien gekommen, um hierfür den Schlüssel zu liefern." Ein klares Friedensangebot also, und eine Aufforderung an die EU-Regierungen, zu vermitteln.

Während sich in Italien einiges an Unterstützung für Öcalans Schritt abzeichnet und in vielen westeuropäischen Städten Solidaritätsaktionen stattfinden, antwortet die türkische Regierung mit der Forderung nach Auslieferung Öcalans und einer neuen Offensive gegen die kurdische Guerilla. Nachdem es zunächst so aussah, als würden in der Führung in Ankara einige zaghaft den kleinen Finger nach dem angebotenen Palmenzweig ausstrecken, wird inzwischen die Öffentlichkeit mit Bildern weinender Soldatenmütter gegen den "Mörder von 30.000 Menschen" eingestimmt.

Dorf in Kurdistan (Foto: Peter Hundley)

Besonders originell ist die Äußerung des türkischen Ministerpräsidenten Mesut Yilmaz, ein Land, das Öcalan beherberge, könne sich nicht mehr als Rechtsstaat bezeichnen. Yilmaz muß sich diese Woche im Parlament wegen Verbindungen zur türkischen Mafia einem Mißtrauensvotum stellen. Das erklärt sicherlich auch sein besonderes Interesse an einer anti-italienischen und anti-kurdischen Hysterie. Die drückt sich unterdessen in zahlreichen von der MHP ("Graue Wölfe") in türkischen Großstädten organisierten Demonstrationen aus, bei denen italienische Waren auf den Straßen zerstört und Jagd auf Kurden gemacht wird. Sieben Menschen fielen dieser Pogromstimmung bis zum Redaktionsschluß zum Opfer, heißt es bei der Deutsch-Kurdischen Gesellschaft in Kiel. Büros der kurdischen HADEP-Partei seien in vielen Städten entweder von "Grauen Wölfen" oder von Polizisten angegriffen, Solidaritätshungerstreiks auseinandergeprügelt worden. Über 700 Mitglieder und Funktionäre der Partei wurden festgenommen. Bis hin zur islamistischen Refah-Partei und der sozialdemokratischen CHP würden sich alle an den Protesten gegen Italien beteiligen, auch jene Politiker, die sich noch vor kurzem für eine politische Lösung ausgesprochen hatten. Das sei wohl mit den für das nächste Frühjahr zu erwartenden Wahlen zu erklären.

In Brüssel hat es vergangene Woche Überfälle einiger Hundert Faschisten auf zwei kurdische Vereine gegeben, bei denen einer von beiden ausbrannte. In Deutschland hat es bis zum Wochenende glücklicherweise keine Vorfälle gegeben, aber die kurdische Bevölkerung ist auch hier der Hetze durch die staatstreuen Medien ausgesetzt.

Die Bundesregierung hat ihrerseits bisher auf einen Auslieferungsantrag verzichtet, obwohl auch hier Haftbefehle gegen Öcalan vorliegen. Außenminister Fischer beeilte sich allerdings, zu versichern, daß die PKK in Deutschland verboten bleibe. Es ist daher zu befürchten, daß man lediglich der Türkei den "Vortritt" lassen will. Daß es seitens der neuen Koalition Unterstützung für eine politische Lösung des Konflikts gäbe, ist bisher nicht abzusehen.

Der hiesigen Linken, egal ob deutsch, türkisch oder kurdisch, stellt sich um so dringender die Aufgabe, Druck für die Aufhebung des Verbots und das Ende der Unterstützung der türkischen Politik zu organisieren.

(wop)