Betrieb & Gewerkschaft

Expansionspläne

"Was haben Kiel und Schleswig-Holstein mit Asien zu tun?", fragt in letzter Zeit mancher LinX-Leser. Bei den Industrie- und Handelskammern (IHK) zwischen Nord- und Ostsee stellt man sich derlei Fragen nicht, sondern eher: "Schleswig-Holstein im Sog der Asienkrise?"

So der Titel einer IHK-Veranstaltung Ende November. Eingeladen waren hiesige Unternehmer, um sich über die Krisenentwicklung in Ostasien sowie die Auswirkungen und zu erwartenden Möglichkeiten zu informieren. Das scheint keineswegs abwegig, denn immerhin runde 10% der schleswig-holsteinischen Exporte gehen in die Region, was für Norddeutschland typisch ist, aber in etwa das Doppelte der gesamtdeutschen Quote ausmacht. Mit einem Volumen von fast 500 Mio. DM entfiel 1997 wie schon in den Vorjahren der größte Brocken auf Südkorea, insgesamt wurden im vergangenen Jahr Waren im Wert von 1,8 Mrd. DM exportiert. Das war innerhalb von nur vier Jahren eine Steigerung von ca. 70%.

Seit Anfang diesen Jahres geht es allerdings wieder bergab, und zwar deutlich: Im ersten Halbjahr wurde nur für 55 Mio. DM auf die koreanische Halbinsel ausgeführt. Der Handel mit den anderen Krisenländern ist ebenfalls rückläufig, wenn auch weniger stark. Nur das China-Geschäft expandiert munter weiter, was die negativen Folgen etwas abfedert. Außerdem konnten hiesige Exporteure bisher den Rückgang etwas durch vermehrte Nachfrage aus der EU ausgleichen.

Dennoch bleibt man alarmiert, wie sich auf dem IHK-Treffen zeigte. Denn: "Aus der Grippe ist inzwischen eine Lungenentzündung geworden", wie Bernhard Vogel, Direktor bei der Deutsch-Koreanischen Industrie- und Handelskammer meinte. Schleswig-holsteinische Unternehmen haben nicht nur mit Verminderung des Absatzes zu kämpfen, sondern auch mit verstärkter Konkurrenz. Einige Krisenländer steigern ihre Exporte und haben durch die Abwertung ihrer Währungen Vorteile auf den internationalen Märkten. V.a. Südkorea, das seit kurzem in den Kreis der Industriestaaten und OECD-Mitglieder aufgestiegen ist, macht den hiesigen Bossen Kopfschmerzen, da seine Produktpalette mit der ihrigen in den Wettbewerb tritt.

Einige können der Krise allerdings auch etwas Gutes abgewinnen: Hubertus Hatlapa von der Uetersener Maschinenfabrik gleichen Namens vermerkte mit Genugtuung, daß der gewachsene Druck in der Belegschaft zur Bereitschaft geführt habe, alte Strukturen aufzubrechen. Man habe eine erhebliche Flexibilisierung der Arbeitszeiten und damit einen Produktivitätszuwachs erreichen können. Dennoch denke man über eine Verlagerung in die Region nach, in der man viele Kunden habe.

Andere sind schon da. Deutsche Unternehmen haben in Südkorea, so Bernhard Vogel, im ersten Halbjahr diesen Jahres mehr investiert, als in den 35 Jahren zuvor: 2,2 Mrd. US-Dollar. Die vom Internationalen Währungsfond erzwungene Liberalisierung kommt den Großen der deutschen Wirtschaft, wie BASF, Commerzbank und FAG Kugelfischer, offenbar umgehend zugute. Dabei würden sie nicht abgestoßene, unrentable Betriebe übernehmen und aufmöbeln, sondern suchten sich die besten Stücke aus. Bereits im Februar hatte eine Broschüre der Kieler IHK frohlockt: "Es kann sogar damit gerechnet werden, daß deutsche Bankinstitute aufgrund der Schwäche ihrer Konkurrenten in der Region Expansionspläne in Asien schneller verwirklichen könnten als bisher gedacht."

Aber während die Großen auch und gerade in Krisenzeiten ihre Positionen ausbauen, zieht die Krise weiter ihre Kreise. Die IHK-Autorin malte bereits in dem erwähnten Heftchen ein düsteres Szenario aus: "Wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, könnte sich die deflationäre Spirale (Preisverfall - wop) weiterdrehen, erst auf Südamerika, dann auf Osteuropa übergreifen und schließlich in Europa und den USA ankommen. Die Weltwirtschaft würde sich dann immer langsamer drehen." Zwei Dominosteine sind seitdem schon gefallen: Osteuropa und Lateinamerika.

(wop)