Aus dem Kieler Rat

Bommelmann ist Bürgermeisterin - Sozialpolitik wird geschleift

Sozialdezerntin Bommelmann ist seit dem 26.11. die erste Bürgermeisterin in Kiel. In der gleichen Sitzung beschloß die Ratsversammlung, daß sich SozialhilfeempfängerInnen nunmehr an der Finanzierung der Kindergartenplätze für ihre Kinder beteiligen müssen. Deutlicher kann der politische Preis für den Aufstieg der grünen-nahen Dezernentin in Ganselhausen kaum dargestellt werden. Oder, um es mit den Worten des OB zu sagen: "Wir haben die ganze Zeit sehr gut zusammengearbeitet."

Für Gansel bedeutet dies, daß es bei aller Unterschiedlichkeit "trotzdem Loyalität gibt". Und diese Loyalität hat die "Sozial"-Dezernentin, die später brav um Zustimmung zur erwähnten Kostenbeteiligung für Einkommensschwache warb, schon kurz nach Gansels Amtsantritt bewiesen. Die ehedem streitbare Kritikerin des Lübecker Modells (Zwangsarbeit für SozialhilfeempfängerInnen) zieht heute eben dieses Modell in einer verschärften Form auch in Kiel durch, Loyalität ist eben wichtiger als Vernunft. Auch die Lobeshymnen des New-SPD-Fraktionschefs Fenske und von den Sozialstaatsdemonteuren der SUK und CDU sollten der "Sozial"-Dezernentin zu denken geben. Unisono lobten die Ratsmitglieder "die gute Erfahrung" mit der Dezernentin (Wulff, CDU) und ihre "nie unverbindliche offene Art" (Fenske). Auch Edina Dickhoff von den Bündnisgrünen lobte in ihrer Laudatio die "fachliche Qualifikation" der Kandidatin. Wolfgang Kottek (SUK) hätte sie auch gewählt, "wenn sie Mann wären - was sie Gott sei dank nicht sind".

"10 DM sind zwei Schachteln Zigaretten im Monat"

Das Lob der Ratsmitglieder verdiente sich Bommelmann wenig später bei der Beratung der Gebührenerhöhung bei den Kindergartenplätzen: "Ich möchte nicht die inhaltliche Diskussion wieder aufleben lassen", so die Dezernentin, "die derzeitige Vorlage ist mit Mehrheit im Jugendhilfeausschuß beschlossen worden, deshalb bitte ich um die Zustimmung." In ihrer schriftlichen Vorlage für die Erhöhung wurde Bommelmann deutlicher: "Im Rahmen der Vorbesprechungen zum Haushaltsentwuf 1999 wurde innerhalb der Verwaltung Einvernehmen darüber erzielt, den Zuschußbedarf im Unterabschnitt Kindertageseinrichtungen und Tagespflege, um eine Million zu reduzieren. Die Reduzierung des Zuschußbedarfes kann nur dadurch erreicht werden, daß bei Erfüllung des Rechtsanspruches und Erhaltung der qualitativen Standards die Einnahmen aus dem Gebührenaufkommen erhöht werden."

Neben Kostenerhöhungen für besserverdienende Haushalte mit mehreren Kindern und zusätzlichen Kosten für "Früh- und Spätdienst" und anderen relativ geringfügigen Verteuerungen werden v.a. die neu eingeführte Mindestgebühr von 10 DM pro Monat und Kind für einkommensschwache Eltern und die Beteiligung von SozialhilfeempfängerInnen an den Kosten für das Essen ihrer Kinder zur massiven Ausgrenzung von betroffenen Kindern führen.

Ratsherr Kramer von der CDU brachte die vorherrschende Meinung auf den Punkt. "Zehn Mark sind zwei Schachteln Zigaretten im Monat", eine solche "Anerkennungsgebühr" solle von SozialhilfempfängerInnen abverlangt werden können. SUK-Chef Kottek sprach von einem "Solidarbeitrag für alle Bevölkerungsschichten". Warum diese Solidarität gerade denen, die auf gesellschaftliche Solidarität angewiesen sind, abverlangt wird, blieb bis zur Abstimmung ungeklärt.

Und die Bündnisgrünen Ratsmitglieder haben es auch noch schwer, ihrer neuen Oppositionsrolle gerecht zu werden. Denn sie lehnten zwar den Pauschalbetrag von 10 DM pro Monat ab, denn dieser sei "so nicht in Ordnung" (Ingrid Jöhnk), andererseits hatten die Bündnisgrünen keine Einwände gegen die Essenspauschale von 20 DM für die Ärmsten der Armen.

So blieb es den letzten in der Ratsversammlung verbliebenen Sozialdemokraten vorbehalten, diesen unsozialen Beschluß zu hinterfragen. Eckhard Raupach wies darauf hin, daß "die Hälfte der Mehreinnahmen von SozialhilfeempfängerInnen oder ihnen nahe Gestellte" erwartet werde. Für Menschen, deren Lebensgrundlage das Existenzminimum sei, bedeuteten 30 DM "schon eine heftige Erhöhung". Gerade in sozialen Brennpunkten, so Raupach, biete der Alltag schlechte Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern. Er verwies auf die in vielen Familien existierende Perspektivlosigkeit, auf Abhängigkeiten und auf prekäre sozaiale Strukturen. Diesen Menschen 30 DM abzuverlangen, "dies ist schon ein harter Brocken", so Raupach. Es sei zu befürchten, daß die neue Gebühr in mehreren Fällen dazu führe, daß Kinder eben nicht mehr in die Einrichtungen geschickt werden. Er hätte sich dagegen gewünscht, daß das Wohl der Kinder an erster Stelle gestanden hätte: "Deshalb bedauere ich die Vorlage." Leider redete Eckhard Raupach der Ratsversammlung erst nach erfolgtem Beschluß in einer persönlichen Erklärung ins Gewissen, und er stimmte vor dieser Erklärung aus "Berechenbarkeit", um "geschlossen abzustimmen", für die unsoziale Vorlage.

(usch)