Aus dem Kieler Rat

"Kulturell unbeleckt"

Rat wählte neuen Wirtschafts- und Kulturdezernenten

Am 26.11. wählte der Kieler Rat einen neuen Dezernenten für Wirtschaft und Kultur, den gelernten Straßenbau-Ingenieur Dr. Heinz Rethage. In einem Auswahlverfahren hatten sich SPD und Grüne vorher auf diesen Kandidaten geeinigt. Die Wahl im Rat - gegen die Stimmen der CDU - war nur noch Formsache.

"Die völlig unerträglichen Vorwürfe, wir hätten personalpolitisch gekungelt, sind wie ein Kartenhaus zusammengebrochen", sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Jürgen Fenske mit Blick auf die CDU. "Wir haben einen Mann der Wirtschaft gewählt, darauf sind wir stolz." Rethage werde dafür sorgen, daß sich Kiel "am Markt behauptet". In Sachen Kultur habe Rethage zwar keinerlei Erfahrungen, aber er habe "ein Gespür dafür". Die Kombination von Wirtschaft und Kultur in einem Ressort sei "keine Notlösung, sondern gibt frische Impulse".

Arne Wulff, Fraktionsvorsitzender der CDU, bemängelte eben die fehlende kulturelle Kompetenz Rethages. Die Wahl werde der Ausschreibung nicht gerecht. Rethage sei eher für die Stellen von Stadtbaurat Flagge oder Umweltdezernent Schirmer geeignet. Die Kultur sei bei der Entscheidung für Rethage "unter den Tisch gefallen".

Wolfgang Kottek (SUK) betonte indes: "Für uns liegt der Schwerpunkt auf der Wirtschaft, deshalb unterstützen wir Rethage." Erstmals gebe es in der Verwaltung "externe Kompetenz aus der freien Wirtschaft". Zur Kulturkompetenz brachte Kottek das Armutszeugnis auf den Punkt: "Wie viele von uns ist auch Rethage kulturell relativ unbeleckt. Aber kulturelle Kompetenz ist anlernbar." Überdies hatte sich die SUK dafür ausgesprochen, die Stelle des Kulturdezernenten ganz zu streichen.

Etwas Mühe hatten die Grünen, ihre Unterstützung für Rethage zu rechtfertigen. "Wir wählen Rethage, obwohl er Wirtschaftsfachmann ist", sagte Fraktionsvorsitzende Edina Dickhoff. "Er arbeitet sachorientiert, mehr kann man nicht verlangen." Und bezüglich mangelnder Kompetenz in der Kultur hebe sich Rethage auch nicht "negativ von seinen Vorgängern ab" (Bgm. Kirschnick und Stadtbaurat Flagge). Jedoch gab Dickhoff zu bedenken: "In Deutschland denkt man immer, wer verwalten kann, kann sich auch Sachkompetenz aneignen. Umgekehrt ist es."

Rethage selbst meinte in seiner Antrittsrede, er fühle sich "in technischen und wirtschaftlichen Dingen zuhause, aber mit langem Atem kann ich mich auch in Kultur einarbeiten". Es bleibt abzuwarten, ob dieser "Atem" für die von Abrissen, Kaputtsparen und Kaputtverlegung schon arg gebeutelte Kieler Kultur nicht zu lang wird.

(jm)