Internet

Netzherren drückten auf "delete"

Linke Onlinezeitung "trend" wurde im BerliNet gelöscht

Die Internetadresse http://www.berlinet.de/trend/ war bis vor kurzem immer einen Mausklick wert, denn hier fanden sich radikale linke Informationen gegen den konservativen Mainstream, Hintergrundinfos und gut aufbereitete Reihen zur Geschichte der linken Bewegungen (zuletzt eine Reihe zu den 68ern). Doch seit dem 30.1. hat der Server BerliNet den Datenstrom "für die alltägliche Wut" abgeknipst.

In einer Pressemitteilung der "trend" heißt es dazu (Auszüge): "Am 28.1. hat Andreas Baumann von der Firma IMU um 22.20 Uhr seine technischen Möglichkeiten genutzt, um den Webspace der Onlinezeitung "trend" auf dem Webserver des BerliNet e.V. zu löschen. Kurz zuvor hatte Herr Baumann um 22.15 Uhr (!!!) einen trend-Redakteur angerufen und ihm die Entscheidung mitgeteilt. Die Begründung verweigerte er.

In den Räumen der IMU befindet sich seit dem Auszug aus den Kreuzberger Vereinsräumen am 16.1. das Internet-Equipment des BerliNet e.V., als deren Vorsitzender Herr Baumann auftritt. Hieraus leitet er auch die Berechtigung ab, über das BerliNet e.V.-Equipment und Webspace zu verfügen. Herr Baumann hat den Domainnamen 'Berlinet.de'. auf sich registrieren lassen.

Die rechtswidrige bzw. vertragswidrige und gegen die Ziele des BerliNet e.V. verstoßende Löschung des Webspace führte, da zuvor die Möglichkeit der Datensicherung nicht eingeräumt wurde, zu unwiederbringbarer Zerstörung geistigen Eigentums.

Bereits seit dem 16.1. hat Herr Baumann dem 'trend' - vertragswidrig und ohne Ankündigung - keinen Zugriff mehr auf den BerliNet-Webserver ermöglicht und bis heute sämtliche über diesen Server eingegangene Email nicht mehr an die trend-Redaktion weitergeleitet. Beides wäre trotz des Umzugs technisch möglich gewesen. Deshalb hat ab 21.1. die trend-Redaktion in den Newsgruppen, die als Verlautbarungsorgane und Diskussionsforen des BerliNet dienen, dies kritisiert und wiederholt Zugriff auf den Webserver und das Emailpostfach erbeten.

Noch in der Nacht der Löschung haben wir Herrn Baumann ein Fax bzw. eine Email zukommen lassen, in dem wir an seine Vernunft appellierten und ihn baten, die gegen 'trend' ergriffenen Maßnahmen umgehend rückgängig zu machen.

Wie wir am 30.1. feststellen mußten, wurde unserer Bitte auf ein Wieder-ins-Netz-Stellen des kompletten 'trend' in seiner Fassung der Nr. 1/98 nicht entsprochen. Statt dessen wurde - ohne Rücksprache mit uns zu nehmen - die Nr. 11/97 ins Netz gestellt.

Da uns die Zugänge zum Webserver nach wie vor versperrt werden, konnten wir an gleicher Stelle keine Erläuterungen, Änderungen oder Richtigstellungen vornehmen. Den Versuch, zu einer tragfähigen und gangbaren Abwicklung des trend-Projektes bei BerliNet zu kommen, müssen wir nunmehr als endgültig gescheitert ansehen. Deshalb haben wir Herrn Baumann am 30.1. per Fax aufgefordert, statt eine Uraltausgabe des 'trend' im Netz zu verbreiten, umgehend einen Link auf die aktuelle Ausgabe des 'trend' (http://ourworld.compuserve.com/homepages/trend/) auf der ehemaligen Startseite bei BerliNet zu setzen. (Anm. der Red.: Dies war bei Redaktionsschluß der LinX noch nicht der Fall.)

Der 'trend' und zahlreiche andere Onlinemagazine aus dem linken & radikalen Spektrum sind daher seit dem 30.1. quasi nicht mehr im Internet vorhanden. Der 'trend' verfügt - außer der 'Interim' mit ihren Mirrorsites (Anm. der Red.: Mirrorsites sind Seiten im Internet, auf der sich inkriminierte und verfolgte Seiten finden. Im Falle der "radikal!" konnte das Verbot so weitgehend umgangen werden) - als einziges der betroffenen Magazine und Projekte über eine (Reserve-)Homepage bei CompuServe. Allerdings nur mit sehr begrenztem Speicherplatz. Auf dieser Website werden wir regelmäßig über den Fortgang der Ereignisse berichten und einen 'kleine' Ausgabe des 'trend' vorrätig halten.

Das was dem 'trend' und den anderen Onlinemagazinen und Projekten bei BerliNet widerfahren ist, hat mit FREE SPEECH und FREE VISIT im WWW-Internet nichts zu tun. Deshalb erklären wir unsere Zusammenarbeit mit dem BerliNet des Herrn Baumann für beendet.

Unbeschadet dessen hätten wir BerliNet verlassen, nachdem am 26.1. durch den BerliNet-Sysop (Anm. der Red.: Sysop = Systemmanager) bestätigt wurde, daß die Junge Presse Berlin e.V. in Absprache mit dem BerliNet ihre Domain von Sitec.net bezogen hat und durch BerliNet geroutet wird. Sitec.net wird in Deutschland von der SITEC Hard & Software GmbH repräsentiert. Für Sitec-Internetaktivitäten ist der Bundesgrenzschutz 'alleiniger Ansprechpartner' für die Bereiche Technik und Administration."

Die Abschaltung der "trend" hat noch eine besonders pikante Note. Im Juni 1996 hatte die "trend"-Redaktion bei dem damaligen Vorsitzenden des BerliNet e.V., Bernd Rockmann, angefragt, ob eine Verbreitung der "trend" über das BerliNet möglich sei. Rockmann antwortete positiv und war sogar froh über das Angebot der "trend": "Ihr könnt Eure Pages hier kostenlos unterbringen, sofern Ihr Euch selbst um das Update (Anm. der Red.: Update = Aktualisierung der Seiten) kümmert. Dieses Projekt würde bei uns reinpassen, denn der Kurdistan-Rundbrief (als Beispiel) ist hier seit Jahren zu Hause. Demnächst wird man hier auch Seiten der Anti-Rassistischen-Initiative e.V. finden können." Diese offenen und unzensierten Zeiten sind bei BerliNet offenbar vorbei.

(jm, nach einer Pressemitteilung der "trend")