Antifaschismus

Gute Grundlage für erfolgreiche Arbeit

Bis auf den letzten Platz gefüllt war am 24./25.1. die Galerie des Kommunikationszentrums "Pumpe" in Kiel - auch zur Überraschung der Veranstalter. Die Redaktion der antifaschistischen Zeitschrift "enough is enough" hatte zur landesweiten Konferenz eingeladen, zwischen 150 und 180 aktive Mitglieder von Gruppen aus dem ganzen Bundesland arbeiteten das Wochenende über konzentriert mit.

Voraussetzung für den erfolgreichen Verlauf des Gedanken- und Informationsaustausches war nicht nur die Tatsache, daß aus vielen verschiedenen Orten des Bundeslandes TeilnehmerInnen gekommen waren, genauso wichtig war die Tatsache, daß die TeilnehmerInnen aus einem breiten Spektrum, von der VVN bis zur Jugend-Antifa, kamen.

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

In der ersten Arbeitseinheit am Samstagvormittag ging es um die sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die neoliberale Wirtschaftspolitik führt zu einer hohen Zahl von Arbeitslosen und internationaler Konkurrenz um niedrige Löhne. Der staatliche Rassismus, in Gesetzen AusländerInnen zu diskriminieren (Arbeitsverbot für Flüchtlinge), wird konterkariert durch die Politik, die große Kontingente ausländischer ArbeiterInnen zu Billigtarifen einsetzt. Elke Breitenbach (HBV) von der Berliner Gruppe "GewerkschafterInnen gegen Faschismus und Rassismus" berichtete über rassistische und ausländerfeindliche Tendenzen in der Gewerkschaftsführung. Immer öfter setzen sich Gewerkschaftsführungen nicht mehr für die Einhaltung von Tarifverträgen für alle Beschäftigten ein, sondern plädieren intern oder sogar öffentlich für Razzien (z.B. auf Großbaustellen), um sog. "Illegale" festzunehmen und abzuschieben. In einem weiteren Referat ging es um die "soziale Säuberung" der Innenstädte. Dort treten die sozialen Probleme offen zutage, und die neoliberale Politik ruft dazu auf, Obdachlose, Drogensüchtige, Sprayer und Skateboard-FahrerInnen mit polizeilichen Mitteln zu bekämpfen. All das ist Wasser auf die Mühlen faschistischer Politiker.

Internationale Zusammenarbeit

Am Samstagnachmittag waren dann Graeme Atkinson von der in Großbritannien erscheinenden Zeitschrift "Searchlight" und Erik Jensen von der dänischen Gruppe DEMOS zu Gast. Sie gaben eine Übersicht über ihre Arbeit, schilderten aber hauptsächlich die über die nationalen Grenzen reichende Zusammenarbeit faschistischer Gruppen und stellten vor, welche Gegenstrategien notwendig sind.

Großmachtpolitik

Am späten Nachmittag referierte Raimund Hethey, Mitarbeiter der Zeitschrift "Der rechte Rand", über die internationale Politik Deutschlands. Seit 1990, als der Zwei-plus-Vier-Vertrag nicht nur die Annexion der DDR zuließ, sondern auch die restlichen Auflagen der Alliierten seit der deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg beseitigten, bemüht sich die Bundesregierung, eine aktivere Rolle in der Weltpolitik zu spielen und politisch, wirtschaftlich und militärisch unverblümter als Großmacht zu agieren. Auch das drängt die Linke in Deutschland zunehmend in die Defensive. Sein Referat stieß nicht nur auf Beifall: Kritisiert wurde die teils zu pauschale Darstellung. Was ist an dieser "Großmachtpolitik" spezifisch deutsch, handelt es sich nicht um ganz normalen Imperialismus?

Austausch

Klugerweise hatten die VeranstalterInnen den Abend nicht verplant. Da die meisten auswärtigen TagungsteilnehmerInnen in Kiel übernachteten, gab das allen Gelegenheit zu kleineren Treffen und Diskussionen, was nicht nur den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit fördern wird, sondern auch die Konferenz während ihrer Arbeitseinheiten zusammenhielt - entfiel doch die Notwendigkeit, sich zwischendurch auf dem Flur in kleineren Gruppen auszutauschen.

Faschistische Rekrutierung

Musik stand im Mittelpunkt der Schilderungen über Methoden, meist männliche Jugendliche für faschistische Gruppen zu rekrutieren. Der enough-Redakteur zeigte u.a. einen Ausschnitt aus einem Video-Band, das über einen einschlägigen Vertrieb zu bekommen ist, und ging ausführlich auf Inhalte und Vertriebsstrukturen rechter Musik-CDs ein. Davon, daß Kiel einen der Knotenpunkte dieser Vertriebsstruktur darstellte, wie jüngst durch die polizeiliche Durchsuchung des Lagers eines Musikgeschäftes in dieser Stadt herauskam, war auch die Redaktion überrascht worden. Besonders alarmierend: Der Laden "No mercy" im Knooper Weg, mitten in Kiel, war ins Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft geraten, weil hier umfangreiche Vorräte an Raubkopien "ganz normaler" CDs vermutet wurden, was sich bei der Durchsuchungsaktion auch bestätigte. Doch der Handel mit Raubkopien ist ein äußerst profitables und äußerst gut laufendes - und damit auch gut organisiertes - Geschäft. Der Zugang faschistischer Organisationen zu diesen Vertriebsstrukturen bedeutet einen erheblichen Sprung vorwärts.

Besonders bedenkenswert schien dem Referenten, daß viele Jugendliche faschistische Musik-CDs nur neben vielen anderen CDs hören. Dadurch werden sie häufig gegenüber rassistischen Parolen abgestumpft, die als normale Sprüche in ihren Alltag eingehen, aber andererseits sind sie durch das Hören einiger dieser Musikstücke noch keineswegs endgültig politisch festgelegt.

In einem zweiten Referat ging es um die immer offener auftretenden faschistischen Gruppierungen an der Universität. Untersuchungen zeigen, daß rechtes Gedankengut an der Universität nicht weniger kursiert als im Durchschnitt der Bevölkerung - StudentInnen sind nicht automatisch links, wie vielfach angenommen. Unter anderem wurde von dem offenen Auftreten bewaffneten Saalschutzes bei einem Vortrag von Baldur Springmann im Audimax der Kieler Universität berichtet.

Akzeptierende Sozialarbeit

Unerwartet heftig verlief die Diskussion über die sog. akzeptierende Sozialarbeit, mit der u.a. in Rendsburg und Mölln rechte Jugendliche zu Klienten der dortigen Streetworker wurden. Axel Michaelis, Sozialarbeiter aus Mölln, berichtete über seine Arbeit. Streit entzündete sich einerseits am Konzept selbst, weil teilweise der Eindruck besteht, diese Sozialarbeit würde die Organisierung von Jugendlichen in rechten Gruppen belohnen und durch die Zurverfügungstellung von Mitteln und Infrastruktur anschließend stabilisieren, während der Referent die Taktik, die Gruppen aufzuweichen und von Gewalt abzuhalten, in den Vordergrund stellte.

Erschwert und in die Länge gezogen wurde die Auseinandersetzung aber v.a. durch die Weigerung des Streetworkers, seine Arbeit konkret darzustellen. Auf alle konkreten Nachfragen flüchtete er sich in allgemeine Äußerungen über verschiedene Möglichkeiten sozialpädagogischer Arbeit, und auch seine wiederholten Beteuerungen, er würde die Menschen, aber nicht die Taten akzeptieren, änderte nichts am Verdacht vieler KonferenzteilnehmerInnen, es handele sich um eine Art Komplizenschaft staatlicher Sozialarbeit mit politisch erwünschten und funktionalisierbaren Strömungen in der Jugend. Beklagt wurde allgemein, daß linke, alternative Lebensmodelle für Jugendliche nicht mehr die Anziehungskraft hätten wie noch vor zehn oder zwanzig Jahren - allerdings hatte, wie zu erwarten war, auch niemand ein Patentrezept zur Hand. So blieb die These des Referenten, seine Sozialarbeit habe bewirkt, daß es seit dem Brandanschlag 1992 mit drei Toten keine rechten Gewalttaten in Mölln mehr gegeben habe, auch unwiderlegt.

Konkrete Aufgaben

Nachmittags gab die "enough is enough"-Redaktion dann eine umfassende Übersicht über die faschistischen Organisationen, die in Schleswig-Holstein aktiv sind, einmündend in das sog. "Bündnis Rechts", das am 22.3. in Lübeck zur Kommunalwahl antritt. Anschließend wurden die Aufgaben der antifaschistischen Bewegung diskutiert, diese Diskussion mündete in die konkreten Planungen ein, wie die faschistische Demonstration in Lübeck-Moisling verhindert werden könnte. Das ist zwischenzeitlich zum größten Teil, wenn auch nicht vollkommen gelungen

Fazit

Die Konferenz hat eine gute Grundlage für eine erfolgreiche, weil landesweit abgesprochene Antifa-Arbeit gelegt. Er hat auch die bestehenden Differenzen oder besser den bestehenden Diskussionsbedarf aufgezeigt. Jetzt hängt es von den einzelnen Gruppen vor Ort ab, die geknüpften Kontakte nicht abreißen zu lassen, Verabredungen einzuhalten und Diskussionsforen, wie sie außerhalb der Konferenz Zeitschriften wie "enough is enough" oder der Gegenwind anbieten, auch konstruktiv zu nutzen.

(Reinhard Pohl)