Aus dem Kieler Rat

Pflege- und Betreuungsdienste der Stadt privatisiert

Personal wird billig verscherbelt

In der Ratsversammlung vom 12.2. beschloß die Ratsversammlung mit den Stimmen von SPD, Bündnisgrünen und SUK, die städtischen Betreuungs- und Pflegedienste in eine "gemeinnützige GmbH" zu überführen. Erklärtes Ziel der Ratsversammlung: "Ausschöpfung aller beeinflußbaren Einsparpotentiale insbesondere in der Personalbewirtschaftung".

Vorausgegangen war ein jahrelanger Streit um die Rechtsform der städtischen Einrichtungen. Schon zum 1.1.96 wurden diese aus dem Sozialamt ausgegliedert und als sog. "eigenbetriebsähnlicher Regiebetrieb" geführt. Damit war auf die neuen Rahmenbedingungen durch die Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes reagiert worden. Ziel dieses Gesetzes, welches auch die Zustimmung der SPD und des damaligen Bundestagsabgeordneten Norbert Gansel fand: Herstellung einer Marktsituation mit echtem Wettbewerb und damit verbunden ein Zwang zur Wirtschaftlichkeit in diesem sozialen Bereich. Dazu gehört auch das Verbot, die städtischen Einrichtungen durch öffentliche Zuschüsse zu den laufenden Betriebsaufwendungen zu subventionieren.

Protest gegen Privatisierung der Pflegedienste vor dem Rathaus (Foto: jm)

Die Überführung des Regiebetriebes in eine GmbH soll nun die Betreuungs- und Pflegedienste fit für den Wettbewerb machen. In der Begründung für den Ratsbeschluß wird dies eindeutig formuliert: "In letzter Konsequenz ist Grundvoraussetzung die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes." Damit sich der bis heute defizitäre Bereich zukünftig auch rechnet, soll es v.a. Einsparungen beim Personal geben: "Erreicht wird dieses Ergebnis durch die Ausschöpfung aller beeinflußbaren Einsparpotentiale insbesondere in der Personalbewirtschaftung", heißt es in dem Ratsbeschluß. So wird der "Anpassung des Personalbedarfs an die tatsächliche Finanzierbarkeit der Personalaufwendungen" das Wort geredet, anstatt den Personalbestand an dem pflegerischen Bedarf auszurichten. Leistungsbereiche wie "Hausreinigung" könnten an "private Dienstleistungsunternehmen" vergeben werden, unwirtschaftliche Betriebsteile wie Altenheime sollen aufgegeben werden.

Als soziale Komponente für das Personal, "das die Betreuungs- und Pflegedienste nicht mehr finanzieren und folglich auch nicht mehr beschäftigen können" (so steht es wortwörtlich in der Vorlage für die Ratsversammlung) wird ein sog. "Personalpool" bei der Stadt geschaffen. Bis Ende 1998 sollen nach vorläufigen Schätzungen mindestens 50 Beschäftigte in den "Pool" überführt werden.

Mehrfach betonten Rednerinnen und Redner in der Debatte um die Privatisierung der Pflege- und Betreuungsheime, daß vor allem im Personalbereich das Sparpotential liege: "Personal ist teuer, und das ist auch einer der Faktoren, an dem gearbeitet werden muß", meinte Birgit Stöcken für die SPD-Fraktion. Waltraut Siebke (SPD) plagte dagegen das schlechte Gewissen, und sie vermutete, "daß wir uns alle nicht wohl fühlen". Aber es sei ja der Stellenpool "als beruhigendes Signal dabeigepackt". Ratsherr Schreiber (Bündnisgrüne) bezeichnete den "Stellenpool" "als ultima ratio, als letztes Mittel". SPD-Ratsfraktionsvorsitzender Raupach sinnierte: "Nur die Bereitschaft zur Veränderung kann die Sicherheit gewährleisten", während OB Gansel eben dies dementierte: "Wir dürfen uns nichts vormachen. Sicherheit gibt es in diesem Bereich nicht mehr, auch nicht für die Beschäftigten. Deshalb würden auch entsprechende Verträge ins Leere führen. Für mich bleibt es eines der hohen politischen Ziele der Stadt, daß es keine betriebsbedingten Kündigungen gibt", so der OB, allerdings: "Ich sage: es bleibt unser Ziel. Nur man muß fairerweise darauf hinweisen: Wir wissen nicht, wie hoch die Pflegesätze zukünftig sein werden." Fast schon gebetsmühlenartig sprach Gansel von "schmerzhafter Konsequenz in einzelnen Fällen", Stereotypen wie: "Für alle wird es Veränderungen geben" oder "Wir können keine persönliche Sicherheit gewähren" gehören inzwischen zum allmonatlichen Ritual in der Ratsversammlung.

Dies hören vor allem die Ratsherren von der CDU-Fraktion gerne. Für diese, so Arno Witt, ist das "Vergütungssystem im öffentlichen Dienst längst überholt". Die CDU-Fraktion stimme der Privatisierung nur deshalb nicht zu, weil die Fessel "Rahmendienstvereinbarung" mit dem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen weiterhin gelten solle. "Ich würde mich auch davor hüten", so der Jungpolitiker von der CDU, "eine Bestandsgarantie für die Arbeitsplätze zu geben". Sein Fraktionsvositzender Arne Wulff sattelte noch einen drauf: Das Konzept sei "nicht zukunftsorientiert", sondern "bestandsorientiert" und "rückwärtsgewandt". Der "personelle Spielraum" müsse viel weiter ausgereizt werden, "weil die personellen Fixkosten bei weitem die höchsten sind".

Dabei sind die "Ängste" der CDU wohl kaum begründet. Personalrat Lenschke bewertete die Beschwörungsformeln aus den Reihen von SPD und Bündnisgrünen als "sehr freundliche Umschreibung dafür, komplett aus der Personalbindung rauszukommen". Das Konzept sei eindeutig: "Personalabbau und Leistungsverdichtung und als Lohn für Leistungsverdichtung noch weniger Lohn".

Weder sei ein Betriebsübergang nach § 613 a (BGB) ausgeschlossen, noch sei in der Ratsvorlage von einem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen die Rede. Die Rechtsformänderung sei erklärtermaßen durchgeführt worden, um eine Tarifvertragsänderung zu Lasten der Beschäftigten zu ermöglichen. Tatsächlich wird diese These durch die geschäftliche Mitteilung des Oberbürgermeisters an die Ratsversammlung bestätigt. Dort heißt es: "Langfristig sich negativ auswirkende Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Trägern, wie z.B. die Tarifbindung an den Öffentlichen Dienst, können durch die juristisch selbständige Rechtspersönlichkeit einer Kapitalgesellschaft ausgeglichen werden."

Allerdings fanden die berechtigten Forderungen der Beschäftigten kein Gehör bei den Ratsmitgliedern. Einzig Volker Kratzat (SPD), der zudem nach den anstehenden Kommunalwahlen aus der SPD-Ratsfraktion ausscheiden wird, verblieb als Lobby für die Beschäftigten. Er kritisierte, daß die Ratsmitglieder entscheiden, "ohne daß wir wissen, was mit dem Personal tatsächlich passiert". Die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Leitung der Betreuungs- und Pflegedienste bezüglich der Forderungen der Beschäftigten ließen nur den Schluß zu, daß "die Leitung eigene Ziele verfolgt" hat. Er persönlich sehe die mangelnde Kooperationsbereitschaft "nicht nur als Indiz dafür, sondern als Beweis dafür, daß es eine Zielrichtung der Leitung der Betreuungs- und Pflegedienste gibt, Personal einzusparen". "Hier geht es wirklich nur darum", so Kratzat, "finanziell etwas rauszuholen, in dem man Personal reduziert". Letztlich blieb Kratzat das einzige Ratsmitglied der rosa-grünen Koalition, welches sich für die Interessen der Beschäftigten einsetzte und gegen die Privatisierung stimmte, ein Armutszeugnis nicht zuletzt auch für die Bündnisgrünen.

(usch)