Kommentar

Die Demokratie, die sie meinen

Nachdem Indonesiens regierende Golkar Partei den derzeitigen Forschungsminister Jussuf Habibie als Kandidaten für den Posten des Vizepräsidenten und damit als einen der möglichen Nachfolger des greisen Suhartos benannt hatte, regierte der Devisenmarkt prompt: Die eh schon schwindsüchtige Rupiah sackte weiter ab. "Der Markt nimmt Habibbie nicht gut auf. Seine Nominierung ist nichts als ein Rezept für ein Desaster", kommentierte eine amerikanische Devisenhändlerin.

Die Botschaft ist klar: Wer die falsche Regierung wählt, wird mit Abwertung seiner Währung bestraft, mit Verteuerung der Importe, mit Verteuerung von Schulden und Kreditzinsen.

Nun muß man Habibie nicht unbedingt mögen. Er ist Repräsentant eines repressiven und korrupten Regimes, das neben den Interessen europäischer und amerikanischer Multis vor allem dem Wohlergehen des Suharto-Clans dient, der nicht unerhebliche Teile der indonesischen Wirtschaft kontrolliert.

Aber das ist für die anonymen Marktkräfte, für die Götzen des Neoliberalismus, noch lange kein Grund, ihn abzustrafen. Aktien- und Devisenhändler haben keinerlei Probleme damit, daß er Zögling eines Präsidenten ist, der in den 60ern Hundertausende Kommunisten, Gewerkschafter und Bauern ermorden ließ. Sein Vergehen ist vielmehr, daß er das Land mit Großprojekten industrialisieren will.

So einfach ist das in der schönen neuen Welt des Kapitals: Nicht die Parlamente oder die Wähler bestimmen über die Richtung der Politik, sondern der Markt. Auf dessen Objektivität ist ja bekanntlich Verlaß, wie sich zuletzt im Januar an einem Kurseinbruch des Dollars zeigte. Devisenspekulanten waren seinerzeit wegen Clintons angeblicher Affären nervös geworden.

Ob Habibies nun Vize wird oder nicht, ist durchaus noch offen: Hierzulande gibt es jedenfalls auch den einen oder anderen, der an ihm und seinen Großprojekten Gefallen finden kann. Vor zwei Jahren nutzte Reaktorministerin Merkel die UN-Artenschutzkonferenz in Jakarta, um für den deutschen Kraftwerksbau ein paar Deals klarzumachen. Schließlich sind unsere Treibhausgas-Schleudern ja die umweltfreundlichsten der Welt, nicht wahr?

Auch Siemens wird sich mit Habibie gut verstehen. Indonesien ist reich an vulkanischen Regionen, in die sich prima AKWs setzen ließen. Einige Standorte sollen schon ausgemacht sein.

(wop)