Antifaschismus

Kleinster gemeinsamer Nenner

Altenholz will "Opfer der NS-Herrschaft" durch Straßenumbenennung ehren

"Im rein kriegstechnischen Sinne" war Oskar Kusch "erfolgreich", heißt es in einem Artikel der "Kieler Nachrichten" (18.2.). Doch der 26jährige U-Boot-Kommandant machte sich durch despektierliche Äußerungen über seinen Führer unbeliebt, wurde denunziert und am 12.5.1944 auf dem Schießstand in Holtenau erschossen. Letztere Tatsache macht ihn nach Ansicht der Gemeindeverwaltung Altenholz zu einem "Opfer der NS-Herrschaft", und sie möchte die Straße "Am Schießstand" nach ihm benennen. "Der Name des U-Boot-Kommandanten", sekundieren die KN, "steht stellvertretend für die Opfer der NS-Herrschaft".

Soldaten sind Mörder, sind Opfer: U-Boot-Kommandant Oskar Kusch, hingerichtet am 12.5.1944 in Kiel

Das Schicksal des Oskar Kusch steht sicher für viele Soldaten, die dem NS-Regime treu dienten, schließlich von ihm fallengelassen wurden, und deren Todesurteile auch nach dem Krieg nicht aufgehoben wurden. Stellvertretend für "die" Opfer des Nationalsozialismus steht er aber eben so sicher nicht. Der Historiker Heinrich Walle bescheinigt dem jungen Soldaten, er habe durchaus "zwischen dem Mißbrauch durch den Nationalsozialismus und der Pflicht, das Vaterland verteidigen zu müssen", zu unterscheiden gewußt. Und diese feinsinnige Unterscheidungsfähigkeit dürfte es auch sein, die Kusch als kleinsten gemeinsamen Nenner für eine "antifaschistische" Ehrung in Betracht kommen läßt. Mit dem treuen Vaterlandsverteidiger werden sich auch Gemeindevertreter anfreunden können, denen es auf keinen Fall in den Sinn käme, eine Straße etwa nach einem Deserteur oder gar einem kommunistischen Opfer der Nazis zu benennen.

Den Führer beleidigt zu haben, entschuldigt gleichsam die Treue bei der Vaterlandsverteidigung. Daß das "Vaterland" erst "verteidigt" werden "mußte", nachdem es Europa mit einem mörderischen Angriffskrieg und millionenfachem Völkermord überzogen hatte, bleibt - wen wundert's - unerwähnt. An diesem Angriffskrieg hatte sich - abgehängtes Führerbild in der Offiziersmesse seines U 154 hin oder her - auch Oskar Kusch beteiligt, und zwar "erfolgreich". "In einer Zeit zunehmend effektiverer U-Boot-Abwehr versenkte er zwei gegnerische Kriegsschiffe und drei Dampfer", wissen die KN stolz zu berichten. Oskar Kusch ist also nicht nur Opfer des NS-Regimes, er hat sich auch in die "Hall of Fame" der Täter eingeschrieben. Umso verwerflicher scheint es den Straßenumbenennern zu sein, daß er hingerichtet und auch noch 1950 nicht rehabilitiert wurde.

Auf den verkrampften Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, insbesondere der Rolle der Wehrmachtssoldaten im Unrechtsregime, wirft die Diskussion um die Straßenumbenennung ein bezeichnendes Licht. Die "Ehrungen" erfolgen immer noch sehr selektiv, dem kleinsten gemeinsamen Nenner von Marinefans und bürgerlichen Demokraten folgend. Sowohl die Ruine des U-Boot-Bunkers "Kilian" wie auch das KZ Russee fallen dabei wiedermal unter den Tisch. Wäre dem nicht so, dann wäre gegen eine Umbennenung von "Am Schießstand" in "Oskar-Kusch-Straße" wohl nichts einzuwenden. Den Oberleutnant zur See stellvertretend für die "unschuldigen Opfer" zu ehren, kommt aber einer Verhöhnung der wirklich unschuldigen Opfer gleich.

(jm)