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Kongreß zur "Zukunft kommunaler Beschäftigung" im Kieler Landeshaus

Am 23. und 24.2. veranstaltete der Städteverband Schleswig-Holstein in Zusammenarbeit mit dem Landesarbeitsamt Nord, der landeseigenen "Beratungsgesellschaft für Beschäftigung" (BSH) und der Landesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Heide Moser, einen Kongreß zur "Zukunft kommunaler Beschäftigung".

Ungefähr 200 TeilnehmerInnen aus dem gesamten Spektrum kommunaler Beschäftigungspolitik gaben sich ein Stelldichein - vom gewerkschaftlichen Berufsfortbildungswerk bis zu alternativen Beschäftigungsträgern wie die "alt + wert GmbH" aus Stormarn oder "Grünwerk GmbH", vom grünen-nahen Bildungswerk "anders lernen" bis zu kommerziellen Beschäftigungsträgern wie NEULAND (Plön) oder der "Mikro Partner Consult-Training Vertrieb GmbH". Natürlich fehlten auch nicht die Honoratioren aus der Kommunalpolitik und kommunalen Beschäftigungsgesellschaften wie der Kieler KIBA, der Lübecker GAB oder der Flensburger beQua.

In ihrem Eröffnungsreferat nannte Heide Moser fünf Motivationen für die Veranstaltung des Kongresses: Erstens zwinge die hohe Arbeitslosigkeit (5 Mio. Menschen ohne Arbeit plus ca. 1 bis 2 Mio. nicht registrierte Arbeitslose) zur Beschäftigungspolitik.

Zweitens werde die "Sozialhilfe als Mammutkasse mißbraucht", mehr als ein Drittel der Hilfe zum Lebensunterhalt sei inzwischen auf Arbeitslosigkeit zurückzuführen.

Drittens werde die Bundespolitik ihrer Verantwortung für die Arbeitsmarktpolitik nicht gerecht. Es gebe auf Bundesebene keine zusammenhängende Arbeits- und Strukturpolitik, zudem würden im Rahmen der "Spargesetze" die Mittel für die Bundesanstalt für Arbeit (BfA) fortwährend gekürzt und so Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) zurückgeschraubt.

Viertens müsse die "bisweilen böswillige Argumentation" zum sog. "Lübecker Modell" versachlicht werden. Dies betreffe sowohl die Höhe des Einsparpotentials als auch die Debatte um den sog. "Arbeitszwang".

Fünftens würden die Kommunen in Schleswig-Holstein ihre Funktion bei der "Überwindung von Sozialhilfebedürftigkeit" wahrnehmen. Der Kongreß könne dies dokumentieren.

Seit 1995, so die Ministerin, gebe es in Schleswig-Holstein das von der Landesregierung aufgelegte Programm "Arbeit für Schleswig-Holstein" (ASH). Ziel dieses Programmes ist es, Menschen aus der Sozialhilfebedürftigkeit (die finanziell vor allem zu Lasten der Kommunen und Länder geht) zu befreien. Zu diesem Zweck wurde die BSH als landeseigene Gesellschaft gegründet. Die Aufgabe der BSH liegt darin, die Kommunen bei der Einrichtung und Beratung von kommunalen Beschäftigungsgesellschaften zu unterstützen. Auch freie Träger werden beraten. Seit 1995 haben von den 20.000 SozialhilfeempfängerInnen in S.-H. ca. 6.000 die ein- bis zweijährigen Maßnahmen durchlaufen. Zwar gelingt es relativ selten, SozialhilfeempfängerInnen langfristig in den "ersten Arbeitsmarkt" zu integrieren. Aber durchaus erfolgreich sind diese Projekte (nach § 19 Bundessozialhilfegesetz - BSHG) insofern, als daß sie das Land und die Kommunen von Sozialhilfelasten befreien. Schließlich haben die AbsolventInnen der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach der Maßnahme Anspruch auf Arbeitslosengeld und anschließend auf Arbeitslosenhilfe, so daß dann allenfalls noch ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt zu zahlen ist.

Heide Moser nannte darüberhinaus drei aktuelle Modelle der Landesregierung als Beispiele für kommunale Arbeitsmarktpolitik. Das Plöner NEULAND-Projekt, welches SozialhilfeempfängerInnen nach der "Vermittlung von Schlüsselqualifikationen" direkt in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt. Zweitens das Modell "Maatwerk pur" des Kreises Segeberg, bei dem eine Direktvermittlung in den ersten Arbeitsmarkt mit Hilfe eines privaten (niederländischen) Unternehmens vorgenommen wird. Drittens das Modell "Ausbildung statt Sozialhilfe", das im Frühjahr starten soll. Hier kritisierte Moser das bisherige BSHG, welches eine Finanzierung einer Ausbildungsvergütung aus der Sozialhilfe nicht erlaubt. Zudem wies sie auf eine entsprechende Bundesratsinitiative Schleswig-Holsteins hin, welche eine entsprechende Änderung des BSHG zum Ziel hat.

Nicht von ungefähr hob Moser die Direktvermittlungsprojekte hervor. Hier scheint sich eine Änderung der bisherigen Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung anzudeuten: "Wir brauchen einen stärkeren Trend zur Direktvermittlung in den ersten Arbeitsmarkt", forderte Heide Moser.

Als Perspektiven für kommunale Arbeitsmarktpolitik benannte Moser drei Aspekte: Erstens fordert sie eine stärkere Regionalisierung der Struktur der BfA, welche eine regionalspezifische präventive Arbeitsmarktpolitik erst ermöglichen könne. Dazu müsse es entsprechende Finanzzuweisungen seitens der Bundesregierung geben, schließlich sei die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eine gesamtstaatliche Verantwortung.

Zweitens mahnte die Ministerin eine engere Kooperation aller Akteure vor Ort an und bemängelte die bisherige Distanz der Wirtschaft: "Es fehlt unter den Veranstaltern die Wirtschaft." Das Programm ASH sehe die Berücksichtigung und Einbindung aller Akteure vor, wie es beispielhaft in der (landesweiten) Kieler Runde vorexerziert werde. Schließlich könne Arbeitsmarktpolitik nur in der Kooperation aller Ebenen (Bund, Land, Kommune, Verbände, Wirtschaft) effektiv betrieben werden.

Drittens müsse eine gerechtere Verteilung von Erwerbsarbeit selbst realisiert werden. Dabei gelte es auch, den "Begriff Arbeit neu zu überdenken" und "gesellschaftliche Arbeit einzubeziehen". Moser verwies explizit auf den US-Amerikaner Jeremy Rifkin ("Ende der Arbeit und ihre Zukunft") als Synonym für diese Idee. Letztlich, so die Ministerin, gebe es nur einen Arbeitsmarkt mit subventionierten Rändern. Alle Bereiche würden miteinander kommunizieren, deshalb bedürfe es eines differenzierten Instrumentariums von Förderung.

Viertens sprach Moser die Überwindung von Sozialhilfebedürftigkeit durch die kommunale Arbeitsmarktpolitik an. Der Kongreß solle "Vorhandenes zeigen", aber auch systematisieren.

Als Vision forderte Heide Moser die Weiterentwicklung der Sozialhilfe zu einem "grundsichernden Transfermittel" mit einer gesamtstaatlicher Finanzierung. Allein als individuelles, kurzfristiges Hilfesystem sei Sozialhilfe "nicht mehr denkbar". In dieses Konzept müsse auch die Arbeitslosenhilfe eingebunden werden.

Im Laufe des Kongresses gab es durchaus Kontroversen um Themen wie Kombilohn oder Arbeitszwang, allein die Choreographie des Kongresses zeigte schon, in welche Richtung gedacht werden sollte. So hielt Dr. Hans Peter Klös vom Institut der deutschen Wirtschaft (Köln) eine flammende Rede für den Kombilohn ohne entsprechenden Widerpart. Auch Frank Latzel, stellvertretender Geschäftsführer der BSH, war es allein überlassen, daß Lübecker Modell zu bewerten. So erstaunte nicht, daß seine "Kosten-/Nutzenanalyse" positiv ausfiel, für kritische Betrachtende aber mehr Fragen offenließ als beantwortete.

Letztlich umschiffte der zuständige Referent im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Andreas Fleck, durch seine eigenwillige Moderation gegen Ende des Kongresses sehr souverän alle strittigen Punkte, so daß am Dienstagabend eine Resolution der ca. 80 verbliebenen KongreßteilnehmerInnen verabschiedet werden konnte. In dieser kam die Vorstellung von Heide Moser, die Arbeitszwang gegen Mehraufwand befürwortet, voll zum Tragen. So heißt es im Punkt sieben der Erklärung: "Die Forderung, arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger mit der ihnen verfügbaren Arbeitskraft einzusetzen, wird unterstützt. Auch eine Kürzung der Sozialhilfe wird befürwortet, wenn zumutbare Arbeitsangebote abgelehnt werden. Eine Verpflichtung, alle arbeitslosen Sozialhilfeempfänger zu beschäftigen, ist unrealistisch. Sie ist ökonomisch falsch und organisatorisch nicht umsetzbar."

Als Fazit sei angemerkt, daß die Resolution es sorgsam vermeidet, das Versagen der Bundespolitik und der konservativ-neoliberalen Kräfte bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu benennen. Explizit wurde das von Andreas Fleck damit begründet, daß der notwendige Konsens gesucht werden müsse. Allerdings hatten Andreas Fleck und das Plenum keinerlei Probleme, gewerkschaftliche Positionen auszugrenzen. Deutlich wird dies bei der positiven Bezugnahme auf das "Bündnis für Ausbildung", welches in der Resolution als Erfolg gelobt wird. Der DGB hatte sich dem "Bündnis" zurecht verweigert, da der außerbetriebliche Ausbildungsteil beschnitten worden ist.

(usch)