Antifaschismus

Freiwild für die Polizei

Über 400 AntifaschistInnen verhaftet, unzählige verletzt

Daß sich solche Szenen in Schleswig-Holstein abspielen, kann wohl nur jemand glauben, der es selbst erlebt hat. Im Lübecker Stadtteil St. Lorenz machen schleswig-holsteinische PolizistInnen regelrecht Jagd auf alles, was nach links riecht.

Der Anlaß: Eine Demonstration von knapp 200 auswärtigen Neofaschisten um die Nazi-Kader Christian Worch und Thomas Wulff in dem Lübecker Stadtteil am letzten Samstag. Für AntifaschistInnen ist die Gegend tabu, weiträumige Kontrollen sollen Linke von St. Lorenz fernhalten: Jede Ansammlung von AntifaschistInnen wird von schleswig-holsteinischen PolizistInnen gejagt, eingekesselt oder einfach brutal zerschlagen. Vollgepanzerte Ein-Mann-Kampfmaschinen werfen sich ohne Vorwarnung, ohne jeglichen Grund, nach kurzem Spurt auf 15- oder 16-jährige Jugendliche, um die vermeintlichen "Straftäter" sofort in "Gewahrsam" zu nehmen. Wasserwerfer spritzen strategisch völlig unbedeutende Straßen frei, insgesamt werden über 400 AntifaschistInnen verhaftet. Die Verletzten werden nicht gezählt.

Trotz ca. 1.200 PolizistInnen konnte die Demonstration der Neofaschisten erst zwei Stunden später als geplant durchgeführt werden. Immer wieder blockierten kleine versprengte Gruppen von GegendemonstrantInnen die Demonstrationsroute, verfolgt von den aus ganz Schleswig-Holstein herangekarrten Ordnungshütern.

Letztlich ist klar, der faschistische Aufmarsch kann nicht verhindert werden. Der politisch dominierende Wille, der im Kieler Innenministerium herrscht und der sich in den Aktionen der Polizei widerspiegelt, hat sich offenbar darauf versteift, die Neofaschisten durch Lübeck marschieren zu lassen.

Dabei wäre es für die politisch Verantwortlichen angesichts der Situation vor Ort ein leichtes gewesen, wie knapp eineinhalb Monate zuvor im Stadtteil Moisling den faschistischen Aufmarsch zu verbieten. Die Situation in St. Lorenz war weit angespannter und unberechenbarer als im Lübecker Retortenstadtteil. Es fehlte diesmal nur der politische Wille.

Schon einmal in diesem Jahrhundert hat die Sozialdemokratie die von Rechts heraufziehende Gefahr unterschätzt und damit letztlich auch dazu beigetragen, daß die deutsche Spielart des Faschismus an die Macht gekommen ist. Die politische Verantwortung liegt bei Innenminister Wienholtz. Es reicht!

(sath)