Kommentar

Doppelzüngig

"Liberalisierung!" heißt das Zauberwort, mit dem die Regierungen der führenden Handelsmächte die Probleme dieser Welt lösen wollen. Die Grenzen müßten nur für Waren und Kapital geöffnet werden, und schon würde es wieder bergauf gehen mit der asiatischen Ökonomie. Natürlich wird in Seoul, Jakarta oder Manila niemand nach seiner Meinung gefragt. Dort hat man den entsprechenden Programmen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu folgen, oder man riskiert den Staatsbankrott. Die Folgen für die importabhängigen Nationen wären katstrophal. Der Außenhandel würde auf das Niveau des Tauschs zurückgeworfen.

Allerdings meint man es mit der Liberalisierung in Washington wie auch in Bonn oder Brüssel nicht unbedingt wörtlich. Eine kleine Agenturmeldung am letzten Wochenende machte das einmal mehr deutlich: Reuters berichtet, daß die USA ihre Zucker-Quote erhöht haben, da die einheimischen Produzenten nicht genug ernten werden. Es werden also mehr Importe zugelassen. Fein sortiert nach Ländern übrigens. Jedem Land wird eine exakte Menge zugewiesen, die gnädigerweise eingeführt wird.

Wir lernen: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Südkorea z.B. wird per IWF-Diktat gezwungen, Zoll- und Steuerbarrieren niederzureißen. Der Schutz, den die einheimische Industrie bisher vor der weiter entwickelten Konkurrenz genoß, entfällt also und damit auch die Chance zum Aufholen.

Auf der anderen Seite schützt man in den reichen USA selbst eine so unbedeutende Branche wie die Zuckerindustrie vor Konkurrenz aus Ländern, die jeden im Außenhandel verdienten Dollar benötigen, um ihre Schulden zurückzuzahlen. Selbst das krisengeschüttelte Mexiko, dessen Grenzen man sich mit dem Nordamerikanisches Freihandelsabkommen geöffnet hat, bekommt eine Quote zugeteilt, kann also nicht nach Belieben verkaufen.

Übrigens: Die Rede ist von Rohzucker. Die Weiterverarbeitung findet natürlich in den USA statt, damit die Gewinne in den richtigen Händen bleiben.

(wop)