Kultur

Malerei von ULRIKE ANDRESEN in der Schwentineschule

Die Patina der Erinnerung

Was verbindet Vergessen, Sammeln und Erinnern? "Man muß etwas vergessen, um sich dann daran erinnern zu können", sagt Ulrike Andresen. Und zur Erinnerung gehört das Sammeln. Statt in Kinderbüchern habe sie als Kind in Fotokartons geschmökert, erinnert sich die 49jährige Künstlerin. Alte Fotos haben sie nie losgelassen und sind auch bei ihren aktuellen Bildern zumindest Vorlage, wenn nicht Bestandteil. In der Schwentineschule schaut Ulrike Andresen zurück, zeigt in ihrer Auswahl von 57 Exponaten "aus meinem Familienalbum" Altes und Neues und die Querverbindungen, die sich auch in einem zeitlichen Abstand von mehr als 20 Jahren zwischen den einzelnen Arbeiten noch knüpfen.

Immer wieder taucht in unterschiedlichen Variationen ihr Selbstporträt als Kind auf. Ausgehend von einem Foto reduziert Andresen ihr Kinderbild auf das Wesentliche, einige markante Konturen. Die stehen mal grau auf weißem Hintergrund, als aus weißer Klebefolie ausgeschnittene Schablone auf schwarzem Grund, oder die Konturschablone dient als Folie für ein Fotogramm, quasi als erinnerndes Zurückkehren zum ursprünglichen Vorbild dieser Bildreihe. Der Versuch der Erinnerung an die Kindheit, das Erkennen dessen, was vom Vergangenen noch fortbesteht, das ist ihr Leitthema. Schemenhaft ist die Erinnerung, und so stehen Menschen wie Schattenrisse auf weißem Grund. Auch hier benutzt Andresen aus Fotos gewonnene Schablonen, durch die sie die Figuren in warmen Brauntönen auf die Leinwand paust. Der Pinselstrich bildet die einzige Struktur in den Schemen, und so wirken diese wie mit der verblichenen Patina von Daguerrotypien überzogen.

In jüngeren Arbeiten benutzt Andresen neben erdigen Grau- und Brauntönen wenige pastellen zurückhaltende Farben, so in vier Bildern, wiederum nach Fotos, die ihre Eltern, sich und ihren Mann zeigen. Zum Rand hin sind die Konturen in Rasterpunkte aufgelöst, eine Replik an Roy Lichtenstein als einem Vertreter der Pop-Art, welche Kunstrichtung Andresen während ihrer Studienzeit in den frühen 70ern an der Muthesiusschule beeinflußte.

Der Gestus des Erinnerns spiegelt sich auch in den Texten, die Ulrike Andresen parallel zu den Bildern schreibt und von denen sie zur Ausstellungseröffnung einige vorstellte. "Malerei ist archaisch. Farbe riecht", heißt es da. Und den Hauch der Erinnerung, nicht nur ihrer persönlichen, sondern des Erinnerns überhaupt, meint man vor ihren Bildern in der Tat zu riechen.

Die Patina alter Texte auf vergilbtem Schreibmaschinenpapier fügte Hajo Rösler hinzu. In fast bellendem Staccato und mit four-letter-words nicht sparend fetzte er innere Monologe à la Rolf-Dieter Brinkmann über vergangene Liebe und vergangene Staaten ("Warum eigentlich Wiedervereinigung? Steigen die beiden Deutschlands miteinander ins Bett?") herunter und beleuchtete damit das Thema der Ausstellung auch literarisch.

(jm)