Anti-AKW

Kommentar

Glückliche DemonstrantInnen geleiten Castor ins sichere Zwischenlager

Zugegeben: Diese Schlagzeile gab es nicht, und sie wäre gelogen. Glücklich war vielleicht nur Polizeipräsident Wimber, daß wenigstens ein Teil seiner grünen Truppen den Anschein eines Deeskalationskonzeptes aufrechterhalten hatte, demzufolge es nicht so sehr darauf ankommt, welche Politik (also auch Energiepolitik) gerade aktuell ist, sondern daß sie durchgesetzt wird. Diese Haltung war auch im 1000jährigen Reich schon sehr beliebt, weil krisenfest und immer hart am Wind. Daß dieser Polizeipräsident der erste grüne Deutschlands ist, merkte man zunächst daran, daß die meisten Camps des Atomkraftgegner "zum eigenen Schutz" provisorisch geräumt und verboten wurden ­ eine Maßnahme, die sich der CDU-Landrat des Kreises Lüchow-Dannenberg und die CSU in Wackersdorf nicht zugetraut hatten.

Auch die ortsansässige Bevölkerung hat einen Weg gefunden, sich sowohl mit dem Brennelemente-Zwischenlager als auch mit dem Protest dagegen zu arrangieren. Wer bezahlt, ist willkommen. Volksfest ja, Krawall nein, Demokratie ­ wenn's denn sein muß, Widerstand ­ bitte woanders. Und daran haben wir uns ja auch gehalten.

Die "Bürgerinitiative Kein Atommüll in Ahaus" war nicht richtig sauer, daß sie alle Vorbereitungen jederzeit offen auf den Tisch gelegt hatte und dafür als Gegenleistung nach Strich und Faden verarscht worden war. Überall überwog das Bemühen, keinen Ärger zu machen, nichts Verbotenes oder auch nur Unangekündigtes zu tun, keine Beschuldigungen zu erheben und überhaupt nichts Lautes zu sagen. Wenn der Beamte sagt: Hier dürfen Sie kein Megaphon benutzen, dann benutzt man kein Megaphon. Wenn die Beamtin sagt: Hier gehen Sie nicht lang, dann geht man da nicht lang. Das ist schon so vorauseilend rechtsstaatlich, daß sogar die staatlichen Regelungen fehlen, die es einzuhalten gälte.

Was die Wendländer seit Jahren kennen und auch jederzeit öffentlich gemacht haben, ist für die Münsterländer offenbar Neuland. Daß ihre Planungen außerdem durch den vorgezogenen Transport über den Haufen geworfen wurden, daß weniger Leute schlechter vorbereitet nach Ahaus gekommen sind, als vielleicht erwartet wurde, das mag manche organisatorischen Defizite entschuldigen. Es bleibt aber der Eindruck, daß überhaupt keine Ernsthaftigkeit hinter den Ankündigungen steckte, den Castor-Zug be- oder verhindern zu wollen. Der Eindruck wird erhärtet durch den relativen Erfolg der wenigen ernsthaften Behinderungsaktionen, wie dem Tunnel in Neckarwestheim, den Ankettungen und den Unterhöhlungen in Ahaus, denn sie zeigen, was alles möglich gewesen wäre, wenn nur etwas mehr Initiative, Information und Koordination von den Ortskundigen ausgegangen wäre.

Eine Protestbewegung, die nicht wirklich stören will, muß natürlich auch nicht ständig mit der ganzen Wucht staatlicher Zwangsmaßnahmen überzogen werden. Und darauf kam es Wimber, wie jedem rechtschaffenen Schreibtischtäter, ja auch an: Die überwiegende Menge glücklich machen und an den wenigen "Straftätern" unverhältnismäßige Exempel statuieren. So wurden die Angeketteten aus dem Tunnel unter der Straße in Neckarwestheim zunächst mit Hunden, dann mit Seilen und roher Gewalt attackiert, zwei Zusammengekettete bei Ahaus wurden mit äußerster Brutalität versucht, zwischen den Bahnschwellen unter dem Gleis durchzuzerren, zwei Castor-Gegner wurden in Schnellverfahren wegen lächerlichen Rangeleien zu je sechsmonatigen Bewährungsstrafen verurteilt, die so schnell gingen, daß nicht einmal Zeit blieb, einen Anwalt herbeizurufen.

Daß das ganze Nuklear-Transportkonzept in der Krise ist, liegt am wenigsten an dem Erfolg des Widerstands im Münsterland. Es hat vielmehr damit zu tun, daß übermüdete Polizisten sich selbst gefährden, daß die Transportbehälter einfache Falltests nicht bestehen und daß direkte Zwischenlagerung überhaupt viel billiger ist als Wiederaufarbeitung. Dabei muß es nicht bleiben, wenn die BI in Ahaus aus den Erfahrungen dieses Transports lernt und nicht einfach nur glücklich ist, daß alles so reibungslos geklappt hat.

(BG)