Betrieb und Gewerkschaft

Ein Gespenst wird 150

Zur Aktualität des Kommunistischen Manifestes

Die Regel ist, daß Parteiprogramme kaum gelesen und rasch vergessen werden. Beim Kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels ist es anders. Als Auftragsarbeit für den "Bund der Kommunisten" ­ einer bis dato geheimen Vereinigung von Arbeitern und Handwerkern ­ geschrieben und im Februar 1848 veröffentlicht, wurde das Manifest zum Gründungsdokument einer viel umfassenderen Bewegung, als im Augenblick seiner Niederschrift zu erwarten war. Das Kommunistische Manifest stellt den ersten zusammenhängenden Versuch dar, die von Marx und Engels erarbeitete Forschungsmethode und Philosophie ­ die materialistische Geschichtsauffassung ­ in der Analyse konkreter geschichtlich-gesellschaftlicher Probleme anzuwenden.

 

 "Was 1848 als revolutionäre Rhetorik erscheinen mochte, kann heute als eine knappe Beschreibung des Kapitalismus am Ende des 20. Jahrhunderts gelesen werden", schreibt der britische Historiker Eric Hobsbawn ("Das Zeitalter der Extreme") 1997 im Vorwort zu einer Neuauflage des Manifestes.

Daß das Manifest beileibe kein "toter Hund" ist, müssen eingestandenermaßen auch bürgerliche Publizisten in unzähligen Artikeln zugestehen. Zwei Beispiele hierzu: "Marx und Engels waren sicherlich gute Diagnostiker. Sie waren allerdings unfähige Therapeuten, weil sie sich die Geschichte nur als eine Folge von Klassenkämpfen und Revolutionen denken wollten." (Hans Mundorf im "Handelsblatt" v. 25.2.98)

Und Jürgen Jeske, wirtschaftspolitischer Kommentator der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", schlußfolgert am 10.1.98: "Anders als im Weltbild von Marx und Engels sind die Industrieländer von heute jedoch offene evolutionäre Gesellschaften. Darin liegt in der Tat die große Flexibilität und Hoffnung für freie und soziale Marktwirtschaften, wenn der Ordnungsrahmen stimmt. Wir müssen Gespenster 150 Jahre nach Erscheinen des Manifestes nicht fürchten."

Ein bißchen Pfeifen im Walde kann man zwischen den Zeilen dieser Worte schon hören. Diese Zeitungen, die sich v.a. verpflichtet fühlen, die eigene Klasse mit exakten Informationen zu versorgen, sehen längst neue Zuspitzungen in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung in der Bundesrepublik heraufziehen. Die Frage des Allensbacher Instituts "Ist es richtig, vom Klassenkampf zu sprechen? Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Grunde völlig unvereinbare Interessen?" bejahten im Jahre 1990 25% der Befragten; im Jahre 1997 meinten das 44% der Befragten in den alten Bundesländern und 56% in den neuen Bundesländern.

Doch richtig ist auch dies: Während das im Manifest skizzierte Bild des Kapitalismus als System sozialer Krisen und zivilisatorischer Katastrophen von bestürzender Aktualität ist, scheinen alle Hoffnungen auf dessen Überwindung ferner denn je. Die Rede vom Proletariat als dem berufenen "Totengräber" des Kapitalismus wirkt gegenwärtig nur noch wenig überzeugend. Was hat es also auf sich mit der Aktualität des Kommunistischen Manifests?

Hierzu findet von der DKP Kiel am Donnerstag, den 23.4. um 19.30 Uhr im Club M, Stadtfeldkamp 22, eine öffentliche Veranstaltung statt: Referent: Willi Gerns, Bremen, Redakteur der theoretischen Zeitschrift "Marxistische Blätter" und beileibe kein "Betonkopf".