Kommentar

(H)eiermänner

Es war einer von vielen Parteitagsbeschlüssen und sicher nicht der spektakulärste. Doch der von den Grünen angekündigte Heiermann für das Lebenselexier freifahrender Bürger hat die Partei ins Trudeln gebracht. Selbst bei der Kommunalwahl scheint das Spritdebakel durchgeschlagen zu haben. Die CDU wird manchen schwankenden besserverdienenden Grünwähler mit ihrer "Nicht anzapfen lassen"-Kampagne an den anti-grünen Tropf gehängt haben.

Dabei ist die Forderung ja gar nicht verkehrt, denjenigen tiefer in die Tasche zu greifen, die unbelehrbar Automobilität über den Klima-GAU stellen. Nichts Weltbewegendes eigentlich, sondern eine simple Umsetzung des Verursacherprinzips. Doch wer sich mit heiligen Kühen einläßt, muß damit rechnen, daß die ganz kräftig zurückmuhen, wenn sie gemolken werden sollen, auch auf dem Wahlzettel. Das "Marketingproblem", wie es die Ökologen ganz meinungs-ökonomisch nennen, ist aber nicht nur ein solches. Die Realos, die ja leider seit geraumer Zeit bei den Grünen den Ton angeben, hätten wissen müssen, daß die Heiermann-Debatte nach hinten losgeht, daß so etwas den deutschen Menschen noch mehr schockt als eine olle linke Kamelle wie Enteignung der Banken. Auto fährt nämlich jeder, selbst wer wenig Geld hat. Gedacht als verdaubares Opfer für Besserverdienende, die eigentliche Klientel der grünen Blaugelben, die sich ein ökologisches Gewissen leisten kann, verschreckt es genau jene WählerInnen.

Und wer, sei es aus Geldgründen oder aus Einsicht, schon lange kein Auto mehr fährt, muß sich dies überlegen: Zwar erhoffen sich die Grünen vom 5-Mark-Benzin Milliarden, die die Umverteilung von oben nach unten nachhaltig finanzieren sollen. Aber gerade diese Steuer soll ja auch dazu anregen, weniger Auto zu fahren, d.h. sie fällt, wenn sie erfolgreich ist, irgendwann immer geringer aus. Klaus Müller, Bundestagskandidat der schleswig-holsteinischen Grünen, wußte die "Antwort" jüngst auf einer Veranstaltung in der Pumpe: Es sei nicht damit zu rechnen, daß sich die Leute dadurch wirklich vom Autofahren abbringen ließen. Wenn das kein argumentatorisches Armutszeugnis ist ...

Wie gesagt, Benzin muß sehr viel teurer werden, um der Autolobby den Hahn zumindest etwas abzudrehen. Aber als Zapfsäule für den sozialen Umbau taugt dieses Mittel nicht. Bei den Reichen das zu holen, was den Armen zusteht, das trauen sich aber auch die Grünen nicht und bleiben in ihrem Wahlprogramm beim Spitzensteuersatz sogar unter der Lafontaineschen Marge. So freilich sitzt man zwischen allen Stühlen. Wer soll die Grünen dann noch wählen? Mülltrennende Autofahrer wohl kaum. Linke, die nicht nur den Wechsel um jeden Preis, sondern vor allem eine andere, gerechte Gesellschaft wollen, ganz bestimmt nicht.

(jm)