Betrieb und Gewerkschaft

Keine Alternativen zum Terror der Ökonomie??

Ein Nachschlag zum Seminar in der Pumpe am 21.3.

Aufschlußreich war der Vortrag von Hermannus Pfeiffer "Uns geht's doch Gold?" Ungeduldig allerdings wurde ich, als es um Alternativen ging. Zwar war angekündigt, daß uns die radikale Kritik des herrschenden Neoliberalismus "den Kopf frei machen" solle für die Diskussion "konkreter Utopie", zugleich wurde aber auch festgemacht, was denn konkrete Utopie zu sein hat, nämlich: "Neuschöpfung alternativer Reformkonzepte". Vielleicht hätte ich ahnen können, was mich erwartete: Als Klaus Müller (Bündnis 90/Die Grünen) amüsiert feststellte, wie nah sich grüne und PDS-Steuerkonzepte seien, fühlte ich mich wie auf einer Wahlveranstaltung, und es schoß mir durch den Kopf: Sollte es etwa möglich sein, daß Grüne und PDS in bezug auf Steuerreformen gemeinsam "schöpferisch tätig" werden könnten? Und: Wie kann es angehen, daß wir nicht schon früher in der Richtung dachten, wo doch alles so einfach ist: Nur Experte in Steuersachen müßte frau/man sein ­ und natürlich die Mehrheiten im Parlament haben.

Zum Glück gab es noch die SeminarteilnehmerInnen: Der Teilnehmer der Rotgrünen Einheitsliste aus Dänemark brachte Dr. Thomas Enke (PDS-Bundestagsgruppe) zur Besinnung, d.h. von seinen Steuervorschlägen ab, weil er wissen wollte, was nun eigentlich die Vorstellungen der PDS seien, und ein Teilnehmer aus Rendsburg stellte die Fragen heraus, die nach seiner Meinung zu bearbeiten seien. Mein Eindruck, daß in der Linken Arbeit angesagt ist, bestätigte sich.

Seit Monaten fühle ich mich überschwemmt von Artikeln zum Thema, "Ende der Arbeitsgesellschaft". "Taz", "Spiegel", "Freitag" und "Zeit"-Leser bekommen serviert, was uns Unruhe zu machen hat, und was z.B. André Gorz schon 1985 in seinem Buch "Wege ins Paradies" vorausgesagt hat. Da steht: "Der Sozialismus der Zukunft wird postindustrialistisch und antiproduktivistisch sein, oder er wird nicht sein. Ihn zu definieren, ist von weltweiter Bedeutung." (S. 14) Ob die Autoren neuerer Bücher uns weiter bringen als Gorz, hätte die Diskussion für mich spannender gemacht als die Darstellung von Parteiprogrammen. Ich meine AutorInnen wie Jeremy Rifkin, Vivian Forrester, Jörg Hufschmid, Jörg, Mechthild Jansen, Ulrich Beck, Amin Samir u.a.

Vielleicht hätte uns die Diskussion auch neue Ideen für die monatlich anstehenden Arbeitslosen-Aktionen geliefert: In unseren Forderungen rekurrieren wir meistens in Richtung Sozialstaat, was ich als Nahziel für die Betroffenen auch in Ordnung finde. Gelegentlich fällt uns aber auch etwas Weitergehendes ein z.B. "Geld/Reichtum ist genug da, wir verteilen es schon selbst". Seit obenerwähnter Steuerdebatte gerate ich allerdings ins Grübeln, ob das denn nun die Lösung oder eine Lösung des Problems ist. Immerhin möchten wir im Unterschied zu den beiden Referenten das Geld als selbstbewußte, autonome Menschen selbst verteilen! Aber was ist das Geld? Werden mit dieser Forderung nicht die kapitalistischen Produktionsweisen verschleiert, das Geld, wie wir früher sagten, "verdinglicht" oder gar mystifiziert im Sinne von "Geld macht glücklich"? Auch wenn es sich um Existenzgeld handelt ­ wie im Gegenwind-TV vom März behandelt ­ löst das unser Problem oder enthüllt es die "Kernstruktur" des Kapitalismus, von der Marx sagt, daß wir sie immer bei uns "in der Tasche tragen" sollten? Fragen über Fragen! Vorerst tröste ich mich an der Oberfläche bleibend mit Macheath in Brechts "Dreigroschenoper":

Und es kommt zum guten Ende
Alles unter einen Hut
Ist das nötige Geld vorhanden,
Ist das Ende meistens gut!"

(AgE)