Aus dem Kieler Rat

Wahlsieger Gansel

Die SPD hat bei den Wahlen in Schleswig-Holstein ihr Wahlergebnis gegenüber den letzten Kommunalwahlen halten können (575.399 Stimmen) und darf sich deshalb als "Wahlsiegerin" fühlen. Der landesweite Stimmenzuwachs der Sozialdemokraten (+ 2.944) ist angesichts von 2.196.592 Wahlberechtigten (+ 102.697) doch recht bescheiden. So ist die prozentuale Verbesserung von + 2,9% nur der geringeren Wahlbeteiligung (- 7,7%) "zu verdanken". Der vielbeschworene "Schröder-Effekt" fiel aus.

 

"Keine Tabus beim Sparen" ­ Die neue SPD-Spitze im Rat: Cathy Kietzer (oben) und Jürgen Fenske

So sind auch die Ergebnisse in Kiel in erster Linie kommunalpolitischen Ereignissen geschuldet. Und da es in Kiel kein kommunalpolitisches Reizthema gibt, seit Gansels SPD sich zur "CDU-Politik light" bekennt, plätscherte der Wahlkampf vor sich hin, und die WählerInnen blieben einfach zuhause. Selbst den Bündnisgrünen gelang es nicht, dem Wahlkampf einen bunten Tupfer hinzuzufügen, ihre Bilanz nach vier Jahren "Koalition" ist ja auch trübe: Der Sozialetat wird zusammengestrichen, soziale Einrichtungen ausgeblutet, ehedem städtische Beschäftigte wurden durch (Schein-) Privatisierungen geprellt. Zumindest bei letzteren spielen die Bündnisgrünen sogar eine fördernde Rolle. So kritisierte Lutz Oschmann auf der Podiumsdiskussion der "SpitzenkandidatInnen" die "Scheinprivatisierungen" als inkonsequent.

Zurück zu den Ergebnissen. In Kiel stimmten insgesamt 25,9% aller wahlberechtigten KielerInnen für Gansels "New-SPD", die sich damit die absolute Mehrheit im Rat der Stadt zurückeroberte. Real verlor die SPD sogar 250 WählerInnen im Vergleich zum kastastrophalen 94er Ergebnis. Die CDU kam nur auf 16,7%, die Bündnisgrünen auf 5,1% und Kotteks SUK auf 3,7% der Wahlberechtigten.

Gleichwohl ist es wohl kaum ein Zeichen der Hoffnung, daß sich die in WählerInnenstimmen gemessene Zustimmung für die herrschende Politik trotz Norbert Gansel nicht erhöht hat und daß die "Partei der NichtwählerInnen" mit 46,4% die absolute Mehrheit nur knapp verfehlte. Spätestens am 27.9. ­ wenn es vermeintlich um mehr geht ­ werden die etablierten Parteien auch wieder ihre WählerInnen mobilisieren können.

Bisweilen kann die SPD fünf Jahre lang ­ gedankt sei den Bündnisgrünen für die Verlängerung der Wahlperiode ­ beruhigt im Rathaus regieren. Wohin die SPD-Reise dabei geht, hatte sowohl Cathy Kietzer (Spitzenkandidatin der SPD und Bewerberin für das Amt der Stadtpräsidentin) als auch Eckhard Raupach (inzwischen ehemaliger Fraktionsvorsitzender der SPD) auf Wahlkampfveranstaltungen angekündigt. Es gebe "keine Tabus" beim Sparen, so Frau Kietzer völlig undänisch in der Pumpe. Auch Eckhard Raupach verteidigte beim Parteiengespräch zum Thema Armut die von der SPD durchgesetzte Ausgrenzung von Armen und Benachteiligten.

OB Gansel wird sich freuen. Und der neue Fraktionsvorsitzende Jürgen Fenske scheint eher dem Image der New-SPD gerecht zu werden als Rauschebart Raupach. Nach seiner Wahl zum Fraktionsvorsitzenden erklärte Fenske, er wolle einen Kurs der politischen Mitte verfolgen. Das bedeute, die SPD werde alsbald konkrete Schritte zum Abbau der Verschuldung machen.

Schon vor der ersten Sitzung der SPD-Ratsfraktion hatte der Kreisvorstand unter Rolf Fischer gefordert, "daß in der Besetzung der politischen Spitzenpositionen der Aufbruch in der Kieler SPD sichtbar" werde. Die Ratsfraktion folgte dem Anliegen mit 15 zu 10 Stimmen.

 OB Gansel mag dem Frieden anscheinend noch nicht trauen. Er kündigte an, an den derzeitigen DezernentInnen in der Stadtverwaltung festzuhalten. Dies bedeutet, daß auch ein CDU-Dezernent weiterhin die Geschicke der Stadt mitbestimmen darf und auch die Bündnisgrünen nicht völlig ausgebootet werden. Und tatsächlich ist es wohl eines der wenigen ehernen Gesetze in der Kommunalpolitik, daß es einen unauflösbaren Gegensatz zwischen den Interessen der Selbstverwaltung, (also hier die SPD-Mehrheit des Rates der Stadt Kiel) auf der einen Seite und dem der Verwaltung (König Gansel) auf der anderen Seite gibt. Allerdings kann Gansel für sich in Anspruch nehmen, von mehr KielerInnen gewählt worden zu sein als die Mehrheit der Ratsversammlung. Somit dürfte klar sein, nach welcher Pfeife in der kommenden Legislaturperiode gespielt wird.

Und die Bündnisgrünen? Sie verloren in Kiel über die Hälfte (- 9.544) ihrer ehedem 18.441 Stimmen. Kein Grund zur Freude für eine Vielzahl von Projekten, die bisher von der bündnispolitischen Klientelpoltik profitierten. Andererseits gibt es in Schleswig-Holstein auch einen Ausgleich. In Lübeck wird die SPD zukünftig auf die Bündnisgrünen angewiesen sein. Dies erfreut die Lübecker Grünen ebenso wie ihr Abschneiden im parteiinternen Wettbewerb. Denn die realpolitisch dominierte Kieler Fraktion büßte weitaus mehr Stimmen ein als die noch nicht ganz so angepaßten Lübecker Bündnisgrünen mit ihrer Fraktionsvorsitzenden Antje Jansen.

 

Trotz Treue zu Gansel, der Bart ist ab ­ Eckhard Raupach ist nicht mehr SPD-Fraktionsvorsitzender

(usch)

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