Kultur

Fenster ins "Uni-WWW-ersum"

Der Multimedia-Künstler John Hopkins zu Besuch an der Muthesius-Hochschule

John Hopkins klappt sein Laptop auf: "Das ist mein Atelier", sagt der "Networker", wie er sich selber nennt. Von Haus aus ist er Geophysiker und "Master of Fine Art" und als letzterer nun schon seit über 20 Monaten immer auf Achse. Hubertus von Amelunxen, Intendant des Muthesius-FORUMs, hat ihn für einen Workshop über das Internet als Medium für Kunst und Kommunikation nach Kiel eingeladen.

Selbstporträt John Hopkins

Ständig unterwegs zu sein, von einem Workshop zum nächsten, per E-Mail und Internet an mehreren Projekten gleichzeitig zu arbeiten, das sei schon "eine seltsame Art zu leben", sagt Hopkins. Für den äußerlich einem Relikt aus der Hippiezeit ähnelnden Künstler gehört das aber auch zur Kunst. In seinem Travel Calendar, nachlesbar auf Hopkins' Website (http://members.iex.net/~hopkins), erzählt er von der immerwährenden Reise - durch die "wirkliche" Welt wie durch die "virtuelle" der Netze. "Ich halt's mit den Griechen", sagt Hopkins. "Kunst ist eine bestimmte Art und Weise des Tuns." So weit gefaßt ist selbst seine Lehrtätigkeit Kunst. Genauer: Hopkins macht keinen Unterschied zwischen Kunst und Leben, wovon das umfangreiche "Uni-WWW-ersum" seiner Website ein beredtes und archivarisch akribisches Zeugnis ablegt.

Zentral sind für ihn Kategorien wie Dialog und etwas, was er "personal space", den "Raum des Ich" nennt. Kunst sei nichts anderes als ein kommunikativer Vorgang, in dem die "Ich-Räume" verschiedener Personen in Kontakt treten und sich im Dialog austauschen. Über welches Medium das geschieht, sei einerlei. Die erste "Mediation" der Seele sei der Körper, hinzu komme die Sprache. Die Technologie des Netzes sei lediglich eine Art verbreiterter Kommunikationsraum. Eine Veränderung der Kommunikation durch das neue Medium, die viele "Internetologen" teils kulturkritisch, teils euphorisch betonen, sieht Hopkins nicht. Immer wieder komme es lediglich auf den "genuinen Dialog" an, eine Formulierung die er Martin Buber entlehnt hat. Den medialisierten Raum, den das weltweite Datennetz aufspannt, müsse man sich wie jeden wirklichen Raum "aneignen", ihn "mit Ich füllen".

Eine Metapher für diese Aneignung von Welt durch ein Medium ist für Hopkins das Fenster. Fenster seien wie Bilder mit einem Rahmen versehen, der das Gesehene eingrenzt, sprich medialisiert. Bei der Fotografie sei das Fenster die Linse. In seinen Porträts, Schnappschüssen von Menschen, denen er zufällig oder planmäßig begegnet, sieht Hopkins vor allem den Dialog durch das Medium Linse. Und schließlich sei es kein Zufall, sondern sozusagen eine anthropologische Konstante, daß uns auch auf dem Computer die Daten in Fenstern präsentiert werden.

In seinem Videokunstwerk Solstice II gewährt uns Hopkins einen zeitgerafften Blick durch ein Fenster auf den Tageslichtwechsel in einer arktischen Landschaft. "Fensterwetter" nennen es die Isländer, wenn draußen ein Eissturm tobt, den man aus dem behaglich warmen Zimmer heraus beobachtet. Für Hopkins ist das das Paradebeispiel für den medialisierten Blick, das eigentliche Thema all seiner Arbeiten. Eine Landschaft mit der Trennlinie des Horizonts zwischen Erde und Himmel erscheint ihm dabei als beinahe mythisches Muster für jegliche Wahrnehmung. Der einzelne Mensch steht im Mittelpunkt des Horizontkreises, virtuell wie wirklich. Er ist das "Zentrum des Universums". Aus dieser Sicht heraus erobern die Arbeiten des "Networkers" Hopkins sich den Raum - auf eine Weise, die auch der kühlen Technologie des Laptops, das als ständiger Begleiter neben Hopkins surrt, eine zutiefst humane Komponente entlockt.

(jm)