Kommentar

Wettbewerb for ever

"Wettbewerb nutzt dem Kunden", weiß Jürgen Fenske, neuer Vorsitzender der Ratsfraktion der noch ein bißchen neoliberaler gewordenen SPD. Seit dem 1. April ist nach dem der Telekom auch das Monopol der Energieanbieter gefallen. "Liberalisierung auf dem Energiemarkt" heißt das im Neusprech. Soweit so gut. Daß staatliche Monopolisten ihre marktfreie Position gerne nutzten, um ungewollte Anbieter, z.B. private Einspeiser von Solar- oder Windenergie, herauszuhalten, ist bekannt. Und der Zirkus, den die Telekom veranstaltet, um ihre Monopolstellung durch dubiose Gebühren für Netzwechsler durch die Hintertür doch noch aufrecht zu erhalten, macht diesen Monopolisten auch nicht unbedingt sympathisch. Doch daß der "Wettbewerb" ebenso wie die "freie" Marktwirtschaft keine Erfindungen zum Nutzen von Kunden, sprich Menschen sind, sondern zur Maximierung der Profitrate, das haben nicht nur die "Sozial"demokraten schon lange vergessen. So kommt es, daß die entsprechende Pressemitteilung Fenskes sich im Gebrauch der Worte von Ähnlichem, z.B. der CDU, nicht unterscheidet.

Am Schluß seines Sermons über "die großen Herausforderungen" der "Liberalisierung" taucht allerdings nebulös noch ein kleines Bedenken auf: "Die Konsequenzen der Liberalisierung des Energiemarktes für die Verbundfinanzierung beim ÖPNV sind seit langem bekannt", heißt es da. Aber man ahnt wohl schon, daß sich die privatisierten Stadtwerke von einem alten Klotz am Bein befreien könnten, der KVAG. Für die SPD aber gelte es, "die Attraktivität des ÖPNV-Angebots in Kiel und Umgebung auf hohem Niveau zu sichern". Schöne Absicht, doch: "Das Kunststück wird sein, dieses Ziel ohne nennenswerte weitere Belastung des städtischen Haushaltes zu erreichen."

Das dieses "Kunststück" angesichts der Streichorgien des SPD-OB im letzten Kieler Haushalt ein Drahtseilakt wird, ist Fenske und seiner Fraktion offenbar auch schon klar. Die entsprechenden Redebeiträge kann man sich als Ghostwriter schon mal zusammenstellen. Ja, leider, man hätte ja wollen, aber die öffentliche Hand ... Die ist seit geraumer Zeit die eines Bettlers und das u.a. wegen des neoliberalen Credos, möglichst alles zu privatisieren und dem goldenen Schnitt des Marktes zu unterwerfen. Denn der Markt hat kein Interesse daran, Leistungen zur Verfügung zu stellen, die notwendig und nützlich sind, sondern nur solche, die sich mit Profit verkaufen lassen. Der ÖPNV gehört nicht dazu.

Mit der Privatisierung des Tafelsilbers verabschiedet sich die öffentliche Hand nicht nur von Einnahmequellen (und das sind immer auch Quellen für eine gerechte Umverteilung, wenn diese denn gewollt würde), sondern auch von dem Auftrag, den Menschen Leistungen anzubieten, die zwar die Lebensqualität erhöhen oder überhaupt erst ermöglichen, die aber der Markt nie anbieten würde, weil sie sich für ihn nicht rechnen. Die Folgen sind klar. Den Reichen, die diese Leistungen eh nicht nötig haben, ist's egal, den Armen - und seien es nur die nicht ganz so Reichen - wird ein weiterer Hahn abgedreht.

Einmal mehr zeigt sich, daß die "Liberalisierung" ehemaliger staatlicher Monopole, nur eine Liberalisierung für das Kapital ist. Für diejenigen, die von einer öffentlichen Leistung wie z.B. dem ÖPNV abhängig sind, bedeutet sie einmal mehr Strangulation. Aber derartige Einsichten kann man von der SPD wohl seit langem nicht mehr erwarten.

(jm)