Anti-AKW

AKW-Normalbetrieb gesundheitsschädlich

Greifswald: Physiker Pflugbeil konfrontiert Betreiber mit geheimen Unterlagen

Auf einer Vortragsveranstaltung der Greifswalder Bürgerinitiative Kernenergie e.V. im Februar stellten Prof. Dr. Inge Schmitz-Feuerhake (Universität Bremen) und Dr. Sebastian Pflugbeil (Kinder von Tschernobyl e.V., Berlin) die Gefährdung durch die radioaktive Niedrigstrahlung in den Mittelpunkt. Ausgehend von der 40 Jahre alten Grunderkenntnis, daß auch die "natürliche Grundstrahlung" mutagen und gesundheitsschädlich ist und daher jede weitere Erhöhung der Bestrahlung verhindert werden muß, stellten die beiden Physiker Krankheitshäufungen am Atomkraftwerk Krümmel und am Kernforschungszentrum Rossendorf bei Dresden vor.

AKW Greifswald/Lubmin

Inge Schmitz-Feuerhake konnte Untersuchungsergebnisse vorlegen, die zeigen, daß die offiziellen Dementis bezüglich festgestellter erheblicher Emissionen des AKW Krümmel falsch sind: "Selbst die offiziellen Meßprotokolle der Kraftwerksbetreiber belegen zweifelsfrei dauerhafte Radioaktivitätsfreisetzungen. Wären die Grenzwerte eingehalten worden, hätte in der Umgebung des AKW keine erhöhte radioaktive Belastung festgestellt werden können." Folge dieser bisher ungeahndeten Umweltverseuchung sind zehn kindliche Leukämiefälle und ungezählte genetische Schäden an der gesamten Bevölkerung um das Kraftwerk.

Sebastian Pflugbeil wußte ähnliches vom Rossendorfer Kernforschungszentrum zu berichten. Die auf Druck der Betroffenen von der sächsischen Landesregierung erarbeitete Studie wird seit ihrer Fertigstellung mit allen Mitteln geheimgehalten. Bekannt wurde nur, daß der kausale Zusammenhang zwischen Erkrankungen und der sehr hohen Emissionen der Anlage gegeben ist.

Pflugbeil und Schmitz-Feuerhake stellten übereinstimmend fest: "Für das Verschweigen sind nicht die angeblich fehlenden wissenschaftlichen Belege, sondern der mangelnde politische Wille verantwortlich." Es sei inzwischen üblich, öffentlich Druck auf Forscher auszuüben, damit diese nicht mehr industriekritisch forschen.

Zu diesen Themen erhob sich unter den anwesenden Mitarbeitern des AKW Greifswald-Lubmin Widerspruch, der in den Thesen gipfelte, daß anhaltende radioaktive Belastung zum einen lebensnotwendig und darüber hinaus sogar gesundheitsfördernd sei.

Dies provozierte einen Exkurs Pflugbeils: "Vor wenigen Tagen war ich im EWN-Informationszentrum in Lubmin. In den Räumen ist nichts von den gravierenden technischen und personellen Mängeln dargestellt worden. Man hat mir bei einer persönlichen Führung gesagt, daß es im Kraftwerk nie hätte zu schlimmen Unfällen kommen können. Das ist gelogen. Ich habe MfS-Unterlagen von 1983 gefunden, die belegen, daß damals schon viele gefährliche Unfallszenarien für plausibel gehalten wurden." Pflugbeil legte einen Auszug eines Vortrages vor der Kreiseinsatzleitung vom 17.11.83 vor, in dem dezidiert aufgeführt wurde, bei welchen Windgeschwindigkeiten in einem solchen Fall welche Strahlung pro Person rund um das Kraftwerk niedergehen würde. Im folgenden wurde nur noch darauf hingewiesen, ab welchen Strahlungswerten welche Krankheitsbilder auftreten. Für Greifswald ergab sich daraus eine Sterblichkeitsrate von bis zu 100%. Der Schluß des Vortrages war die Empfehlung, die Bevölkerung über die Gefahren nicht zu informieren.

Pflugbeil war im letzten DDR-Kabinett zuständig für die Sicherheit der Atomanlagen der DDR und wurde von der Schweriner Enquete-Kommission "Folgen der SED-Diktatur" beauftragt, die MfS-Unterlagen des Kraftwerkes auszuwerten. Auf seine Frage, warum solche Dokumente ebenso wie die zahlreichen Mängel am AKW nicht im "Informationszentrum" des Kraftwerksbetreibers EWN gezeigt würden, reagierten die AKW-Mitarbeiter mit Schweigen und kurz darauf mit dem Verlassen des Saales.

Das EWN-Informationszentrum wird vollständig aus Steuermitteln finanziert. Dieter Schlott von der Bürgerinitiative Kernenergie urteilte: "Die Leistungsträger dieser Gesellschaft haben ihren Gott irgendwo stehen lassen und durch Geld ersetzt. Und wenn wir 'kleinen Leute' diesen Leistungsträgern folgen, brauchen wir uns nicht zu wundern, daß wir uns gottverlassen vorkommen.

(Markus Maaß, Atomplenum Greifswald; leicht gekürzter Nachdruck aus "DER RABE RALF - umweltabhängiges Monatsblatt", März '98)

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