Betrieb & Gewerkschaft

Reichtum und Armut wachsen um die Wette

Der seit Jahren wachsende Reichtum in der BRD ist angesichts wachsender sozialer Probleme nicht nur ein politischer Skandal, sondern auch gleichzeitig Ursache der Probleme, da der in großen Geldvermögen angestaute Reichtum keine neuen Arbeitsplätze schafft. Im Gegenteil nimmt das Heer der Arbeitslosen und Armen zu und stagnieren die Arbeitseinkommen, verlegt sich das Kapital auf Spekulationsgeschäfte und weicht auf andere Märkte aus.

Die spektakulärste "Profitentwicklung" fand in den letzten Jahren auf den Aktienmärkten statt. Seit 1996 hat sich der Aktienindex um über 100% erhöht. Der Vermögenszuwachs bleibt übrigens steuerfrei, solange die Aktien nicht innerhalb eines halben Jahres erneut verkauft werden.

Die privaten Geldvermögen haben sich seit 1985 fast parallel zu den Ausgaben der Sozialhilfe entwickelt. Mehr als 5 Mio. Menschen leben in der BRD unterhalb der Armutsschwelle. Anfang 1996 beanspruchten 2,52 Mio. Sozialhilfe. Ihre Zahl hat sich seit 1973, dem letzten Jahr der "Vollbeschäftigung", um 370% erhöht. Besonders dramatisch ist die Situation für Kinder und Jugendliche. 1995 bezogen 936.000 Kinder Sozialhilfe.

Zur privaten Armut gesellt sich die öffentliche. Die Staatsschulden haben sich seit 1990 annähernd verdoppelt und betrugen 1997 bereits 2.217 Mrd. DM. Auf die gleiche Weise wie die Armut wächst, sinken die für die Armutsbekämpfung notwendigen Mittel zugunsten der durch die Bundesregierung betriebenen Umverteilung von unten nach oben, da die Staatsschulden zum größten Teil auf die Steuergeschenke für Kapitalisten und Reiche zurückgehen. Wäre der Anteil der Gewinnsteuern am gesamten Steueraufkommen heute so groß wie 1980, hätte der Staat gut 100 Mrd. DM pro Jahr mehr in der Kasse gehabt. Die Steuergeschenke wurden mit Einsparungen bei den Sozialausgaben bezahlt. 1997 wurden Sozialausgaben in Höhe von DM 130 Mrd. eingespart. Der Anteil der Sozialleistungsquote, d.h. der Anteil aller Sozialleistungen am Brutto-Inlandsprodukt betrug 1995 31,2%. 1975 waren es, ohne Massenarbeitslosigkeit, 33,9%. Das widerlegt auch die Sprüche von zu hohen Sozialausgaben. Die Verluste betreffen aber nicht nur die "Schwächsten" in dieser Gesellschaft, auch die ArbeitnehmerInnen sind betroffen. Die realen Nettolöhne gingen von 1991 bis 1996 um 6,7% zurück, die Beitragssätze der Sozialversicherungen stiegen im gleichen Zeitraum von 35,2% auf 42,1% , während die Gewinne der Kapitalisten erheblich stiegen. Die Positionen der Selbständigen im Verhältnis zum durchschnittlichen Bruttoeinkommen aller Haushalte erhöhte sich seit 1990 um 120,9%. Die Lohnquote sank auf den Stand der 60er Jahre.

Die Zahl der Einkommensmillionäre hat sich von 1982 bis 1992 mehr als verdoppelt.(1983: 10.318, 1992: 24.975) 1988 verfügten 10% der Bevölkerung über die Hälfte des Netto-Geldvermögens. Die 95 reichsten Deutschen besitzen genau so viel wie 17,5 Mio. deutsche Haushalte mit 41 Mio. Menschen!

 

15 Jahre "Steuerreform" und der Staat ist pleite

Unter dem Vorwand der Schaffung neuer Arbeitsplätze wurden seit 1982 diverse Gewinnsteuern gesenkt oder völlig abgeschafft. Stolz verkündete 1988 der Pressedienst der Bundesregierung: "Seit 1982 werden Investitionen, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung nachhaltig gefördert. So wurden vor allem zunächst die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verbessert, und zwar durch Senkung der Gewerbesteuer, Senkung der betrieblichen Vermögenssteuer, Verkürzung von Abschreibungsfristen. Die Senkung der Einkommenssteuersätze 1986 und 1988 kommt selbstverständlich auch den Betrieben zugute (...) und wird zusätzliche Impulse für neues wirtschaftliches Wachstum geben."

Das Wachstum hat stattgefunden, allerdings nicht wie versprochen, sondern bei den Arbeitslosen. 1982 übernahm Kohl 1,8 Mio. Arbeitslose, heute sind es 4,6 Mio. - registrierte. Und das, obwohl die durchschnittliche Belastung der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen von 21% auf rund 9,5% 1995 sank. Der Anteil der Massensteuern (Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Mineralölsteuer) stieg auf 72,7%, während die "Gewinnsteuern" auf 14,6% gesenkt wurden. Seit 1996 verschenkt die Bundesregierung 9,3 Mrd. DM jährlich durch Abschaffung der Vermögenssteuer. Dafür ging der Sozialabbau weiter. 1994 Kürzungen der Lohnersatzleistungen nach dem AFG, 1996 Wegfall des Schlechtwettergeldes, Abschaffung der vollen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Aufhebung des Kündigungsschutzes in Kleinbetrieben, 1997 Anhebung der Altersgrenze in der Rentenversicherung, grundlegende Verschlechterungen für Arbeitslose durch das AFRG, Einschränkung bei Kuren, erhöhte Zuzahlungen für Medikamente und Zahnbehandlungen, Änderung seit dem 1.1.1998 bei der Kurzarbeit, dem Kurzarbeitergeld sowie bei der Arbeitsförderung und Arbeitslosenversicherung sowie die MWST-Erhöhung um 1% im April 1998.

Die Politik hat offensichtlich versagt. Doch die Kapitalisten und ihre Politiker setzen weiter auf kapitalistische Marktwirtschaft, soziale Härte und dynamische Wirkung von Eigennutz und Ungleichheit. Bemerkenswert ist deshalb auch die 8 Mio. DM teure Aktion der DGB-Bürokratie "Für Arbeit und soziale Gerechtigkeit" zugunsten der SPD. Auch den "Ratgebern" in den eigenen Reihen, in und außerhalb der Gewerkschaften, müssen wir eine Absage erteilen, denn auch mit geläuterten Sozialdemokraten und Bündnisgrünen, mit Veränderungen der Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten wird es keine wirklichen Verbesserungen für die Mehrheit der Bevölkerung geben, da der Kapitalismus offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, Forderungen im Kampf gegen Arbeitslosigkeit, Sozialabbau, Umweltverschmutzung etc. zu erfüllen, die für das Überleben der ArbeitnehmerInnen und ihrer Familien notwendig sind.

(hg)