Tarifanbindung erstreikt
Nach drei Wochen und einem Tag Streik ist bei dem Maschinenbauer Greif-Velox in Lübeck am 23. September per Haustarifvertrag die Tarifbindung wieder hergestellt. Die Geschäftsleitung hatte vor zwei Jahren den Anerkennungstarifvertrag gekündigt. Seitdem war bei dem Spezialisten für Waagen und Abpackanlagen für Schüttgut verhandelt worden. Das Lübecker Arbeitsgericht hatte, aufgrund der Nachwirkung des alten Tarifvertrags, die Geschäftsführung jeweils zur Zahlung der Lohnerhöhungen verurteilt. Dem ehemaligen Mutterbetrieb, der Maschinenfabrik Möllers GmbH im nordrhein-westfälischen Beckum, ist es - nach Berechnungen der IG Metall - über sieben Jahre gelungen die Löhne auf 20 Prozent unter Metalltarif zu senken. Aufgrund der noch engen Bindungen zu Möllers, wurde aus dieser Richtung ein großes Interesse an der Verhinderung einer kollektiven Regelung in Lübeck vermutet. Der nun vereinbarte Haustarifvertrag bei Greif-Velox ist nicht frei von Abweichungen vom Flächentarifvertrag: Neben einer Wochenarbeitszeit von 36,25 statt 35 Stunden wurde für mögliche 40-Stunden-Verträge - mit entsprechender Bezahlung - eine Quote von 20 statt 13 Prozent aller Beschäftigten vereinbart. Für die ersten zehn Überstunden werden ein Jahr lang keine Zuschläge und bei Altersteilzeit nur die Hälfte der Abfindungen gezahlt.
Die gut organisierten 79 Beschäftigten waren mit 100 Prozent Zustimmung
der IG Metallmitglieder in den Streik gegangen. Um den Einsatz anderer
Arbeitskräfte und einen Materialabfluss zu verhindern, wurde Tag und
Nacht Streikposten gestanden. In den ersten Streiktagen verstrich eine
ultimative Drohung der Geschäftsführung mit Untervergaben, betriebsbedingter
Kündigungen und Standortverlagerung. Nicht nur das sommerliche Wetter,
auch die Unterstützung aus anderen Betrieben, Verbänden und Parteien
war eine solidarische Stütze für die Streikenden. Die lokale
Presse berichtete ungewohnt ausführlich vom Arbeitskampf.
Vor der Urabstimmung über das Verhandlungsergebnis gab es Montagmorgens
noch Diskussionen über die fehlende Maßregelungsklausel im Vertrag.
Keine Maßregelung am Streik Beteiligter und keine Schadensersatzansprüche
an die Gewerkschaft ist eine gängige Klausel in den Verträgen
nach einer Tarifauseinandersetzung. "Um den gesamten Abschluss nicht zu
gefährden haben wir der Streichung zugestimmt", erklärte der
verhandelnde Sekretär der Hamburger IGM-Bezirksleitung Christian Schoof.
Sein Kollege Jürgen Kandulla, Sekretär der Lübecker IG Metall,
sprach von seinem bisher schwersten Arbeitskampf. Trotz der langen Gesichter
stimmten wiederum alle abstimmungsberechtigten IG Metaller dem Ergebnis
zu, womit der Streik beendet war. Nicht nur Betriebsräte und Beschäftigte
äußerten ihre Zufriedenheit. Der Geschäftsführer Hans
Bern Dreier verwies auf anstehende Streichungen bei übertariflichen
Zahlungen. "Unter dem Strich werden unsere Personalkosten sinken", wurde
Dreier in den Lübecker Nachrichten zitiert.
Gesunken sind auf jeden Fall die Chancen des im Juni von Greif-Velox
entlassenen, langjährigen Betriebsratsvorsitzenden, Uwe Koffler, auf
Wiedereinstellung. Trotz rechtsverbindlichem Urteil und Zwangsgeldandrohung
vom Arbeitsgericht Lübeck, verweigert die Firma dem Gewerkschafter
die Arbeitsaufnahme. Neben den Fällen bei der Flensburger Danfoss
Compressors - LinX berichtete - gibt es in Schleswig-Holstein weitere Fälle,
in denen Gewerkschafter trotz für sie positiver Urteile nicht
wieder in den Betrieb kommen. Bundesweit gibt es ähnliche Fälle.
(Infos über www.labournet.de) Wenn überhaupt, beschränkt
sich die gewerkschaftliche Öffentlichkeitsarbeit bei den Kündigungen
aktiver Gewerkschafter auf den jeweiligen Ort und die eigenen Publikationen
wie Metall.
Annerkennungs- bzw. Haustarife, wie bei Greif-Velox, sind im Bereich
der Kieler IG Metall seit zehn Jahren in mehr als 15 Betrieben vereinbart
worden. Hintergrund ist nicht die direkte Tarifflucht durch Verbandsaustritte
bei NORDMETALL, sondern die wenigen Eintritte der zahlreichen "neuen" Betriebe,
bei denen es sich oft um Abspaltungen größerer Betriebe handelt.
In der Frage der Mitgliedergewinnung haben die Kontrahenten IG Metall und
NORDMETALL offensichtlich das selbe Problem: Sie gewinnen wenige neue Mitglieder.
Bei Greif-Velox hat zumindest die IG Metall neue Mitglieder gewonnen. Ein
Erfolg des Streiks für eine kollektive Regelung.
(W. Jard)