Kenspalte

Im Gegensatz zu Stade soll der älteste deutsche Reaktor, Obrigheim, erheblich länger laufen als vorgesehen. Das wünscht jedenfalls der Betreiber EnBW, der am 30. September die Übertragung einer Produktionsmenge von 15 Terawattstunden vom neuesten Reaktor, Neckarwestheim II, auf Obrigheim beantragt hat. Hört sich an, als solle der ohnehin schwache “Atomkonsens” damit völlig konterkariert werden, monieren Umweltverbände wie Greenpeace. Obrigheim sei am schlechtesten gegen Flugzeugabstürze gesichert, sorgen sich die BW-Grünen. Die Übertragung von Stromleistung war vertraglich vorgesehen, ursprünglich mit der Begründung, dadurch könnten unwirtschaftliche und unsichere Altanlagen schneller abgeschaltet werden zugunsten einer längeren Laufzeit der neuesten Reaktoren. Da die Übertragung nun in entgegengesetzter Richtung erfolgen soll, bedarf der Antrag der Zustimmung des Bundesumweltministers in Abstimmung mit Kanzleramt und  Wirtschaftministerium.

Als habe EnBW damit nicht schon genug Aufmerksamkeit erregt, steuerte der dritte Standort des Energieversorgers, Philippsburg, noch einen schweren Störfall bei: Rund ein Kubikmeter radioaktiv verseuchten Reinigungswassers schwappte “unkontrolliert” ins Regenwassersystem des Kraftwerks und damit teilweise in die Umwelt. Die Belastung des Rheins liege aber deutlich unter den Grenzwerten, wiegelte der Betreiber seine Eilt-Meldung ab.

Die werden auch durch Emissionen der WAA La Hague ständig eingehalten. Mehr noch: Sie SIND der Grenzwert. Und “wahrscheinlich nicht” verantwortlich für die Häufung von Leukämie in der Umgebung, stellten jetzt 60 “Experten” in einer Studie fest. Eine detaillierte Beweisführung mit vergleichbarem Ergebnis hat ja kürzlich das Kieler Umweltministerium in seiner Kritik einer Studie über das Leukämie-Cluster bei Geesthacht vorgelegt.

Im Wendland richtet man sich auf ein jahrzehntelanges Gegeneinander von Castortransporten und Bevölkerung ein: In Woltersdorf wurde eine neue Polizeikaserne fertiggestellt, Unterkünfte für mehrere 100 Polizisten in Dannenberg sind im Bau. Die massive Polizeipräsenz während der Transporte soll also fortgesetzt werden, wohingegen die zuletzt inflationär ausgesprochenen Flächenverbote für Camps und Demos etwas eingeschränkt werden sollen, zumindest soweit es im Ermessen der Stadt Lüneburg liegt. Die Stadt kam damit nur einem entsprechenden Spruch des Verwaltungsgerichts Lüneburg zuvor in einem Verfahren, das die Initiative “X-1000-mal quer” gegen ein generelles Campverbot im vergangenen Jahr angestrengt hatte.

Als Joschka noch hessischer Umweltminister war, hat es sowas nicht gegeben: Ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen RWE wegen Verstößen gegen die Betriebsauflagen im Kernkraftwerk Biblis, eingeleitet durch den heutigen CDU-Umweltminister Dietzel. Anlass ist der Ausfall der Notstandsversorgung für Biblis A am 28. August (LinX 18/02). Außerdem stürzte dort Anfang September ein Arbeiter von einer Treppe und wurde radioaktiv kontaminiert, weil sein Strahlenschutzanzug beschädigt wurde. Arbeiter in AKWs sind ein Risiko, das sich mit wenig Geld vermeiden läßt. Für nur 24.000 Euro kann Indien einen selbstentwickelten Aluminium-Roboter liefern, der alle wichtigen Wartungs- und Reparaturarbeiten im radioaktiven Bereich verrichten kann und bei Unfällen auch in der “heißen Zone” noch Ventile schliessen kann. Er hat sechs Beine, Tennisbälle statt Schuhe, wiegt 250 kg, braucht Strom, aber keinen Lohn und ist gewerkschaftlich nicht organisiert.

 (BG)