Eine vom Netzwerk für Illegalisierte Menschen in Schleswig-Holstein, NISCHE, am 2. Oktober in Kiel in der Pumpe organisierte Veranstaltung, setzte sich mit Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Legalisierungkampagnen auseinander. Koen Dewulf von der belgischen Organisation Steunpunt Mensen Zonder Papieren berichtete, dass in Belgien im Jahr 2000 von 55000 Legalisierungsanträgen 80% mit einer Legalisierung endeten. Eine zunächst positive Bilanz. Andererseits hatten Umfragen zufolge weitere 55000, die potentiell die Bedingungen für eine Legalisierung hätten erfüllen können, aus Angst, sich den Behörden öffentlich zu machen, gar nicht erst einen Antrag gestellt.
In Frage gestellt wurde der erste positive Eindruck auch durch den Beitrag
von Anna Sebastian Cercos von SOS Racismo Catalunya, die die aktuelle Situation
in Spanien nach der letzten Leglalisierungskampagne schilderte. Eine der
Voraussetzungen im Rahmen der Legalisierungskampagne in Spanien, Papiere
zu beantragen, war das Vorhandensein einer Beschäftigung. Diese konnten
viele wegen ihres prekären Status nicht nachweisen. Auch nach Abschluss
der Kampagne, haben MigrantInnen zweimal im Jahr die Möglichkeit,
Papiere zu beantragen, wenn sie Arbeit nachweisen können. Da allerdings
die spanische Regierung inzwischen nur noch legale Arbeit für StaatsbürgerInnen
von Ländern ermöglicht, mit denen ein Werkvertragsabkommen besteht,
zur Zeit osteuropäische Länder, bleibt für das Gros der
nordafrikanischen MigrantInnen nur die Illegalität. Nach Ablauf des
Legalisierungsprogramms wurde außerdem das Ausländerrecht verschärft,
so dass sich die Lage insgesamt eher verschlechtert hat. Koen Dewulf bestätigte,
dass in Belgien in der Regierungserklärung von 1999, mit der das Legalisierungsprogramm
bekannt gemacht wurde, gleichzeitig eine Neuordnung (sprich: Verschlechterung)
der sozialen Versorgung angekündigt wurde. Nach Abschluss des
Legalisierungsprogramms droht daher auch in Belgien ein Vakuum für
viele MigrantInnen. Er befürwortete zwar entsprechende Programme,
betonte aber, das sie auch zum Anlass genommen werden müssten, gleichzeitig
langfristige strukturelle Veränderungen einzufordern. Die VertreterInnen
der Gruppe Kanak Attak aus Hamburg, die in verschiedenen Städten Deutschlands
organisiert ist, formulierten grundsätzliche Kritik an der Forderung
nach solchen groß angelegten einmaligen Kampagnen, die häufig
nur aktuellen politischen Interessen dienten. Sie plädierten für
den permanenten Kampf an der Basis, durch solidarisches Unterstützen
der Kämpfe von MigrantInnen selbst. Als Beispiele nannten Sie die
Aktionen der Sans Papiers in Frankreich, die verschiedenen Grenzcamps in
Europa oder de Karawane für die Rechte der Flüchtlinge. Ihr Anliegen
ist, die Stärke der MigrantInnen, die sich auch von Grenzaufrüstungen
und ausgeklügelten Gesetzeswerken nicht abhalten lassen, einen Platz
für ein besseres Leben zu suchen., zur Kenntnis zu nehmen und zu unterstützen.
Entsprechend kritisch betrachteten sie daher auch die aktuelle Bleiberechtskampagne
von Pro Asyl, die Andrea Kothen aus Frankfurt vorstellte.
Die Kampagne startete pünktlich am 4. Oktober zum Tag des Flüchtlings.
Pro Asyl fordert für die Menschen, die seit fünf Jahren in Deutschland
leben und eine Duldung haben, ein Niederlassungsrecht, quasi als Schlussstrichregelung
vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes. Das Gesetz sieht die Abschaffung
der Duldung vor, ohne dass geklärt ist, was an ihre Stelle tritt.
Viele Flüchtlinge werden dann nur noch eine "Bescheinigung" erhalten,
die voraussichtlich noch weniger Rechte beinhaltet als die bisherige Duldung.
Die Kampagne soll auch einem Abdrängen der ehemals Geduldeten in die
Illegalität vorbeugen. Geplant ist u.a. eine an die Länderinnenminister
gerichtete Postkartenaktionen, um dort entsprechenden öffentlichen
Druck in Hinblick auf die im Dezember stattfindende Innenministerkonferenz
zu entfalten.
Die anschließende Diskussion machte deutlich, dass die verschiedenen
dargestellten Ansätze nur in der Kombination langfristige Wirkung
zeigen können. Der Kritik an der Pro Asyl Kampagne, die nur auf eine
eingegrenzte Gruppe zielt, steht die von Kanak Attak nicht beantwortete
Frage gegenüber, in welche konkreten Forderungen, denn die Basiskämpfe
münden sollen und die staatlichen Programme bergen die Problematik,
dass damit nur tabula rasa gemacht wird, um anschließend weitere
Verschärfungen umzusetzen. Die Notwendigkeit, die jeweiligen Aktivitäten
immer wieder kritisch auf ihre Wirkung hin zu überprüfen, sollte
nicht davon abhalten, sich auch an begrenzten Aktionen.zu beteiligen.
Das nächste Plenum von NISCHE findet am 5.11., um 18.00 Uhr im Agenda-Cafe, Medusastr. 16 statt.
(aw)