Ursachen für Not und Elend in Afrika

Eine abweichende Meinung zu Zimbabwe

Über die Situation in Afrika werden über die deutschsprachigen Medien nur spärlich Informationen verbreitet. Die Vertreibung weißer Farmer in Zimbabwe ist eine der wenigen, dafür aber ständig wiederholten Meldungen. Die von Robert Mugabe geführte Kampagne gegen die weißen Farmer wird in der hiesigen antiimperialistischen Szene, soweit dem Autor bekannt, ratlos zur Kenntnis genommen. Robert Mugabe war, nach dem Sturz des Weißen Rassistenregimes im damaligen Rhodesien 1979/80, einer der wenigen ehemaligen Guerillaführer die sich nach dem Machtwechsel noch an die Unterstützer der Befreiungsbewegungen in den imperialistischen Metropolen erinnerte. Im Rahmen eines Staatsbesuchs in Deutschland bedankte Mugabe sich damals in einer gesonderten Veranstaltung in Köln bei den Aktivisten/innen der Antiimperialistischen- und Dritte Welt-Bewegung.

LinX druckt aus Politische Berichte - Zeitschrift für Sozialistische Politik Nr. 18-19/2002 vom 13. September 2002 einen Artikel über das südliche Afrika ab. Die Politischen Berichte geben als Quelle die Süddeutsche Zeitung Nr. 189 vom 17/18.8.2002 an. Der hav zeichnende Autor im Vorwort der PB: "Froh ist man dann, bekommt man den unten dokumentierten Artikel zu sehen, den ein/e kluge/r Feuilletonredakteur/in der Süddeutschen Zeitung ins Deutsche übersetzen ließ. George Monbiot, Politikprofessor, Umweltaktivist und Redakteur der englischen Zeitung "The Guardian", hat selbst in einer Untersuchungskommission mitgewirkt, die im südlichen Afrika über Ursachen von Not und Vertreibung geforscht hat. Was er dabei für interessante Entdeckungen gemacht hat beschreibt er in dem folgenden dokumentierten Artikel."

Bleibt nur die Empfehlung zum Lesen und der Dank an die Redaktion der PB für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung.

(W. Jard)

Dokumentiert: Präsident Mugabe trägt nicht allein die Schuld am Elend Simbabwes

Der drittböseste Mann

Der böseste Mann auf Erden nach Saddam Hussein und Osama bin Laden ist Robert Mugabe, der Präsident von Simbabwe - jedenfalls nach Ansicht der meisten westlichen Medien. Neulich hat Mugabe wieder bekräftigt, dass 2900 weiße Farmer ihr Land verlassen müssen. Angeblich will er ihren Besitz an landlose Bauern geben; in Wirklichkeit hat er viele der konfiszierten Farmen an Offiziere und ergebene Parteipaladine verteilt. Zwölf weiße Farmer sind schon getötet worden, andere wurden verprügelt. Mit manipulierten Stimmzetteln und unter Einschüchterung seiner politischen Gegner hat Mugabe auch die Wahlen vom letzten März gefälscht.

Für manche Zeitungen sind Mugabes Übergriffe gegen die Farmen der Weißen der Hauptgrund für die derzeitige Hungersnot in Simbabwe. Und jetzt, schreibt der Daily Telegraph, setzt er auch noch "Lebensmittelhilfe als politische Waffe" ein. Offenbar erfüllt Mugabe wirklich alle Voraussetzungen für das Amt des "Drittbösesten Menschen der Welt".

Kein Zweifel kann daran bestehen, dass Mugabe ein skrupelloser Rassist ist, dessen Politik die Simbabwer nur ärmer macht. Aber dass hauptsächlich seine Landkonfiskationen für den Hunger in Simbabwe verantwortlich sein sollen, ist Humbug. Zwar besitzen die 4500 weißen Farmer zwei Drittel des besten Landes, aber viele von ihnen bauen gar kein Getreide an, sondern Tabak. Siebzig Prozent des Maises - der wichtigsten Getreidepflanze des Landes - werden von schwarzen Bauern auf den kümmerlichen Randlagen angebaut, die ihnen die Weißen gelassen haben.
 
Vertreibungen für den Fortschritt
 
Die Enteignung der weißen Farmen ist brutal und ungesetzlich. Trotzdem ist sie nur eine kleine Szene in der großen Tragödie, die sich heute weltweit abspielt. Jahr für Jahr werden Millionen Bauern gezwungen, ihr Land zu verlassen, mit verheerenden Folgen für die Sicherheit der Lebensmittelversorgung. Über sie schreibt niemand tränenselige Schilderungen vom letzten Besuch am Grab der Kinder. Wenn sie in den Medien überhaupt vorkommen, dann meist nur als die unvermeidlichen Opfer der wirtschaftlichen Entwicklung.

Vor zehn Jahren habe ich die Enteignungen untersucht, die ein anderes Mitglied des Commonwealth in Afrika finanzierte und organisierte: Kanada hatte dafür bezahlt, dass es das Hochland von Basotu in Tansania umpflügen und mit Weizen bepflanzen durfte. Weizen wurde in Tansania nur von den Weißen gegessen, aber indem Kanada gerade dieses Getreide und nicht etwa Mais, Bohnen oder Maniok anpflanzte, konnte es sich Verträge mit kanadischen Chemie- und Maschinenbauunternehmen sichern, die weltweit führend in der Weizenverarbeitung waren. Für das Projekt war die Enteignung aller vierzigtausend Angehörigen des Stammes der Barabaig erforderlich. Wer versuchte, auf sein Land zurückzukehren, wurde von den Mitarbeitern des Projekts eingesperrt und mit Elektroschocks gefoltert. Es gab auch Massenvergewaltigungen von Frauen.

Zum ersten Mal seit hundert Jahren waren die Barabaig unterernährt. Als ich aber mit einer der Projektleiterinnen über diese Dinge sprach, erklärte sie nur: "Ich weine keinem nach, solange es hier nur voran geht!" Die Presse der reichen Welt bezog fast einmütig denselben Standpunkt. Heute ist es das Vereinigte Königreich, ebenfalls Mitglied des Commonwealth, das ein noch viel größeres Projekt im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh finanziert. Dort sollen rund zwanzig Millionen Menschen enteignet werden. Auch diese Barbarei wird von den meisten Medien ignoriert.
In diesen Fällen sind es dunkelhäutige Menschen, die von Weißen vertrieben, nicht Weiße, die von Schwarzen davongejagt werden. Sie nehmen damit den Platz ein, der ihnen von Rechts wegen gebührt: als unsichtbares Hemmnis für die Projekte der reichen Welt. Mugabe ist ein Ungeheuer, weil er diese natürliche Ordnung auf den Kopf stellt.

Aber durch den IWF, die Weltbank und die bilateralen Hilfsprogramme mit ihren Vorzugsbedingungen sind es in der Tat die Weißen, die Afrika regieren - und zwar mit triumphierend gereckter Faust. In einem neuen Bericht der UNO über die Bevölkerungsentwicklung ist die Zahl der Menschen im subsaharischen Afrika, die weniger als einen Dollar täglich zum Leben haben, in den vergangenen zehn Jahren von 242 Millionen auf 300 Millionen gestiegen. Je rigoroser afrikanische Regierungen die von den Weißen verordneten Maßnahmen umsetzen, desto ärmer werden die Menschen.

Und genau wie Mugabe gebraucht auch die reiche Welt die "Lebensmittelhilfe als politische Waffe". Kürzlich haben die USA Simbabwe und Sambia, die beide an der Hungersnot in Südafrika leiden, dazu gezwungen, genmanipulierten Mais als Lebensmittelhilfe anzunehmen. Beide Nationen hatten sich verbissen gegen genmanipuliertes Getreide gewehrt, weil sie unter anderem befürchteten, die Gentechnologie könnte multinationalen Unternehmen die Kontrolle über die Lebensmittelkette in die Hände spielen und damit ihre Völker noch verwundbarer gegen den Hunger machen. Aber die USA ergriffen im Interesse ihrer Biotech-Unternehmen die Gelegenheit beim Schopf und stellten die Länder vor die Wahl, sich entweder auf diesen Handel einzulassen oder zu verhungern.

Auch Malawi war genötigt, den USA genmanipulierten Mais abzunehmen, zum Teil, weil es seine eigenen strategischen Getreidereserven eingebüßt hatte. 1999 hatten nämlich IWF und Europäische Union Malawi angewiesen, diese Reserven zu privatisieren. Die private Körperschaft war nicht kapitalisiert und musste daher das Geld zum Kauf des Getreides bei kommerziellen Banken aufnehmen. Wie zu erwarten, stellte sie 2001 fest, dass sie ihre Schulden nicht bedienen konnte. Der IWF gab die Anweisung, den größten Teil der Reserven zu verkaufen. Die private Körperschaft verkaufte sämtliche Reserven, und so gingen Malawi just zu dem Zeitpunkt die Getreidevorräte aus, als sich Missernten einstellten. Der IWF, der aus dieser Katastrophe nicht gelernt hat, verhindert weiterhin, dass Malawi seinen Farmern hilft, indem es Lebensmittel subventioniert oder Preise stabilisiert.

Dieselbe Behörde zwingt schwache Nationen auch dazu, ihre Grenzen für subventioniertes Getreide aus dem Ausland zu öffnen und damit die heimische Agrarindustrie zu zerstören. Am gravierendsten ist vielleicht, dass der IWF Staaten daran hindert, Geld für Landreformen auszugeben. Die Verteilung von Land ist aber der entscheidende Faktor der Nahrungsmittelsicherung. Kleine Farmen sind bis zu zehnmal produktiver als große, weil sie in der Regel intensiver bewirtschaftet werden. Kleine Farmer sind eher in der Lage, die einheimische Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen als westliche Supermärkte.

Die Regierungen der reichen Welt mögen keine Landreform. Sie erfordert nämlich ein staatliches Eingreifen, was den Gott der freien Märkte beleidigt, und sie stört die Großfarmer sowie die Firmen, die sie beliefern. Nur weil Britannien sich weigerte, ein angemessenes Reformprogramm in Simbabwe zu erlauben oder zu finanzieren, konnte es überhaupt zu den politischen Umständen kommen, die Mugabe nun so skrupellos ausnutzt. Das "Lancaster House Agreement" übertrug den Staat Simbabwe an die Schwarzen, die Nation aber an die Weißen. Mugabe macht sich die Enttäuschungen eines enteigneten Volkes zunutze.

Der Präsident von Simbabwe ist nur ein ziemlich kleiner Unterteufel in der höllischen Politik mit Land und Lebensmitteln. Als der verehrte Nelson Mandela seine Befugnisse an den IWF abtrat, kaum dass er sie dem Apartheidregime abgerungen hatte, schadete er Afrika möglicherweise genauso schwer wie Mugabe es tut. Mugabes rassistische Übergriffe gegen die Weißen Simbabwes sind zu verurteilen - aber nur, wenn wir auch bereit sind, den viel blutigeren Krieg zu verurteilen, den die reiche Welt gegen die Schwarzen führt.
(George Monbito)

Der Autor ist Redakteur beim Londoner Guardian.

Deutsch von Olga Anders.