Südafrika:

Generalstreik gegen Privatisierung

Mehrere Hunderttausend südafrikanischer Arbeiter folgten am 1. und 2. Oktober dem Aufruf des größten Gewerkschaftsdachverbandes des Landes, COSATU, und traten gegen die Privatisierungspolitik des ANC in den Ausstand. Das ist insofern bemerkenswert, als COSATU sich mit dem ANC und der Kommunistischen Partei in einer strategischen Allianz befindet.

Besonders erfolgreich war der Streikaufruf unter den Bergarbeitern. Auch die Hafenarbeiter in Durban, die akut von Privatisierung bedroht sind, schlossen sich an. Die Gewerkschaft schätzt, dass sich landesweit etwa 80 Prozent der Industriearbeiter und der Kumpels beteiligten. Auch im öffentlichen Dienst habe es viel Unterstützung gegeben. Wie üblich sei die Resonanz bei kleineren Unternehmen wesentlich schlechter.

Als Erklärung für den Streik gab COSATU in einem Memorandum vor allem drei Gründe gegen Privatisierung an: Aufgrund massenhafter Armut könnten sich viele Familien nicht einmal die grundlegendsten Dinge leisten. Es gebe daher für private Unternehmen keinen Marktanreiz, für die Versorgung der Allgemeinheit. In vielen Städten habe die Privatisierung wichtiger Dienstleistungen wie Wasser und Telekommunikation bereits dazu geführt, dass die Kosten drastisch gestiegen seien, worunter vor allem Arbeiter zu leiden hätten. Zum Beispiel sei in einigen armen Nachbarschaften in Folge der Privatisierung die monatliche Wasserrechnung von 70 auf mehrere hundert Rand gestiegen. Bei einem durchschnittlichem Haushaltseinkommen von 2000 Rand sei Wasser kaum noch bezahlbar.

Außerdem würde, so COSATU, die Entwicklung des Landes nur über einen Umbau der Wirtschaft möglich sein. Infrastrukturausbau und Quersubventionen für ärmere Bevölkerungsschichten und Kleinunternehmen seien notwendig, um die Entwicklungsziele zu erreichen, und staatliches Eigentum an Unternehmen dafür eine wichtige Voraussetzung.

Schließlich weisen die Gewerkschaften darauf hin, dass Privatisierung in der Vergangenheit immer mit massivem Verlust von Arbeitsplätzen verbunden gewesen sei. Angesichts einer offiziellen Arbeitslosenrate von nahezu 30 Prozent (1995 seien es 16 Prozent gewesen) sei das inakzeptabel. Die Mehrheit der von Entlassungen Bedrohten bestünde aus wenig qualifizierten Afrikanern aus ländlichen Gebieten, die es schwer haben würden, eine neue Anstellung zu finden. Außerdem kommen auf jede Entlassung fünf bis zehn Menschen, die ihren Lebensunterhalt verlieren.

Eine besondere Brisanz bekommt die Situation dadurch, dass die Preise für Grundnahrungsmittel rasant zunehmen. Nach Gewerkschaftsangaben um 16,7 Prozent allein im Jahre 2001. Der Preis für eine Mahlzeit Mais habe sich binnen Jahresfrist gar verdoppelt. Das führe dazu, dass die Ärmsten inzwischen mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben müssten. Die seien zwar zwischenzeitlich zum Teil vom der Mehrwertsteuer ausgenommen, doch würde das nicht an die Käufer weitergegeben.

Der Gewerkschaftsdachverband fordert daher dem mit einer Besteuerung der mit Lebensmitteln gemachten Extragewinne Einhalt zu gebieten und die soziale Absicherung der Armen und Arbeitslosen deutlich zu verbessern. Außerdem müsse die Privatisierung der nationalen Infrastruktur sowie grundlegender öffentlicher Dienste sofort gestoppt werden. Wasser, Abwasser, kulturelle Einrichtungen, Abfallentsorgung, Bildung, Stromversorgung, Gesundheitssystem, Sozialwohnungen und Telekommunikation müßten in der Hand der Menschen bleiben. Jede Umstrukturierung müsse zu einer Verbesserung der Versorgung führen und mit den betroffenen Nachbarschaften und Gewerkschaften verhandelt werden.

Auch von Hilfsorganisationen der HIV-Infizierten gab es Unterstützung für den Streik. Die Gesundheitsversorgung brauche mehr staatliche Investitionen statt Privatisierung. Der öffentliche Sektor Versorge mehr als 80 Prozent der Bevölkerung, habe aber nur 50 Prozent der Mittel. Schon jetzt würde den Infizierten ihre Verfassungsmäßiges Recht auf ausreichende Versorgung vorenthalten. Fünf Millionen gibt es von ihnen derzeit in Südafrika und nahezu alle werden im nächsten Jahrzehnt eine Behandlung brauchen, um Virusinfektionen zu überleben, deren sich ihr geschwächtes Immunsystem aufgrund der AIDS-Erkrankung nicht selbständig erwehren kann. Studien hätten gezeigt, dass die Regierung mit den entsprechenden Mitteln bis 2015 drei Millionen Tode und Neuinfektionen verhindern könnte, doch die bisher eingesetzten Mittel seien vollkommen unzureichend, heißt es bei der “Aktion für Behandlung” (TAC).

Unterstützung für den Streikaufruf gab es auch vom Antiprivatisierungsforum (APF), in dem sich verschiedene Nachbarschaftsinitiativen und linke Gruppen zusammengeschlossen haben. Gleichzeitig verlangte das APF von der COSATU-Führung eine klarere Abgrenzung von der als neoliberal bezeichneten Politik des ANC. Sie solle sich fragen ob ihre Verbündeten tatsächlich in den Reihen einer Regierung zu finden seien, die ihre Angriffe auf die Arbeiter hinter hohler Rhetorik von “Patriotismus” und “Schaffung einer Nation” verberge. “Was ist mit den neuen schwarzen Kapitalisten, die auf dem Rücken der Arbeiter reich geworden sind?”, fragt APF-Sprecher Trevor Ngwane angesichts der engen Verbindungen COSATUs zur Regierung.
 

(wop)