Kommentar:

Pyramidenspiel

Es knirscht und knackt im Räderwerk der Ökonomie. Auf den Wirtschaftsseiten der größeren Tageszeitungen wird bereits seit Wochen diskutiert, ob eine Rezessions der besonders schweren Art bevorsteht. Das japanische Beispiel wird beschworen und die große Depression an die Wand gemalt. In Nippon kommt das Wirtschaftswachstum bereits seit 12 Jahren nicht mehr in Gang, weil Wirtschaft und Bankensystem des Inselstaates an einem Berg unbezahlbarer Kredite erstickt.

Auch in Kiel sind die ersten Anzeichen längst zu sehen. An der Hörn ragen die Ruinen der New Economy in den Himmel, Call Center schließen, Heidelberger will seine Produktion verlagern, New Yorker räumt in einer illegalen Aktion sein Lager und an der Uni spricht man von betriebsbedingten Kündigungen. Und das in einer Stadt, die schon seit Jahr und Tag unter einer weit überdurchschnittlichen strukturellen Arbeitslosigkeit zu leiden hat.

Unterdessen erweisen sich die Sozialdemokraten, als die alten Pragmatiker, die sie immer gewesen sind. Nur das es heute nichts mehr zu verteilen gibt, sondern nur noch abzuwälzen. Die Schuldendienste sind heilig, Steuersenkungen für die Konzerne ebenfalls, also müssen die Lasten den Arbeitenden und Erwerbslosen aufgeladen werden. ”Die Tarifverträge fressen unsere Haushalte auf.” Also will sie ihren Beamten und Angestellten das Einkommen kürzen. So einfach ist das.

An dieser Stelle werden übrigens die Keynsianer, die ehedem in den Reihen der SPD und CDU so zahlreich waren, heute aber nur noch unter dem einen oder anderen linken Label zu finden sind, einwenden, dass genau das die Massenkaufkraft schmälert und somit in diesen Zeiten das sichere Mittel für den Abstieg in die Depression ist.

Damit haben sie nicht ganz unrecht, wobei allerdings anzumerken ist, dass - die Unantastbarkeit der Kredite vorausgesetzt - die Länder und Kommunen kaum eine andere Wahl haben. Die weitere Ausdehnung der Staatsverschuldung, würde ihrerseits ebenfalls erheblich dämpfend auf die Konjunktur wirken. Das ist wie beim Pyramidenspiel: Irgendwann wird die Zerbrechlichkeit der auf Kredit aufgebauten Ökonomie für jeden offensichtlich und keiner verleiht mehr.

Das soll nun natürlich nicht heißen, dass Widerstand gegen Lohnraub und Arbeitsplatzverlust nicht gerechtfertigt oder aussichtslos sei. Im Gegenteil. Man sollte allerdings bereit sein, nach viel grundsätzlicheren Antworten zu suchen, und zwar jenseits des Götzen Wirtschaftswachstum.

(wop)